Kerbers langjähriger Trainer Torben Beltz über die Zusammenarbeit mit der neuen Nummer eins der Tenniswelt und die Pläne für 2017.
Die Dreizimmerwohnung ist unverkennbar die eines Tennistrainers auf Durchreise. Im Flur stehen zwei große Schlägerbags, dazu ein Riesentrolley und etwa zwanzig Paar Sportschuhe in Größe 48. Im Bad hängt ein Wimbledon-Handtuch, auf der Spüle steht eine Australian-Open-Tasse, und die US-Open-Akkreditierung liegt auf dem Kühlschrank: „Torben Beltz – Coach Angelique Kerber“. Beltz (39) ist nach dem erfolgreichsten Acht-Wochen-Trip seines Trainerlebens für ein paar Tage zu Hause in Itzehoe gewesen, als Trainer einer Silbermedaillen-Gewinnerin, US-Open-Siegerin und Weltranglistenersten. An diesem Wochenende geht er mit Kerber auf Asientour, die mit dem Tourfinale in Singapur (31. Oktober bis 6. November) endet.
Herr Beltz, hat sich Ihr Leben nach dem Aufstieg von Angelique Kerber zur Nummer eins verändert? Werden Sie jetzt auf der Straße erkannt?
Torben Beltz: Ich höre beim Einkaufen schon mal „Glückwunsch“ oder „super Spiel“, aber das hält sich im Rahmen. Es ist noch lange nicht so schlimm wie bei Angie. Das Gute ist: Ich bin im Fernsehen immer mit Vollbart, aber jetzt wieder ohne Bart. Ich bin also inkognito.
Nachdem Sie gerade mit Kerber acht Wochen unterwegs waren, hatten Sie nun mal sieben Tage frei. Was haben Sie gemacht?
Ich habe versucht, ein bisschen runterzukommen. Ich mache dann immer viel Familienzeit mit meinen Töchtern.
Ihre Töchter leben bei Ihrer früheren Lebenspartnerin. Sie sind gerade nach Hamburg umgezogen.
Sie werden immer gern in der Zeitung und im Fernsehen erwähnt – und sie mögen den „Ruhm“. Also: Charlotte ist zwölf und eine sehr gute Hip-Hop-Tänzerin. Mathilda ist sechs und wurde während der US Open eingeschult. Da war ich leider nicht dabei, aber das haben wir nachgefeiert. Sie tanzt auch ein bisschen und ist Reiterin: Am vergangenen Wochenende haben wir Reithose und Reitstiefel gekauft. Lotti und Thilda sind zwei sehr coole Mädels.
Haben Sie sich durch den unglaublichen Erfolg in diesem Jahr verändert?
Man versucht mit der Aufgabe zu wachsen, dass man die Arbeit noch gewissenhafter macht. Es ist anders, mit Angie zu arbeiten, wenn sie die Eins ist, als wenn sie die 20 ist. Auf uns richtet sich noch mehr Aufmerksamkeit. Man versucht alles noch einen Tick besser zu machen.
Sie erlebten auch schon Tiefen in Ihrer Karriere. Zum einen mit Kerber, zum anderen, als sie sich am Saisonende 2013 für etwa eineinhalb Jahre von Ihnen trennte. Hat das Erfolgsjahr 2016 auch Ihnen einen Selbstbewusstseinsschub gegeben?
Natürlich bin ich auch selbstbewusster geworden. Auf jeden Fall fühle mich wohl, wo wir jetzt sind. Ich bin da auch angekommen. Man sieht bei Angie, dass sie zufrieden ist, wo sie jetzt steht und damit super umgehen kann. Bei mir ist es genau so. Ich verstecke mich nicht.
Wo sehen Sie selbst Ihre Qualitäten in der Zusammenarbeit mit Kerber?
Der Trainerjob auf der Tour ist sehr komplex. Die Basis ist, dass wir uns auf dem Tennisplatz gut verstehen und intensiv miteinander arbeiten. Und ich bin immer noch ein passabler Spieler und kann mit ihr das Sparring selbst machen. Außerdem bin ich tennisverrückt und gucke mir generell so viele Tennismatches an, wie ich kann. Deshalb übernehme ich auch das Scouting. Das heißt: Ich gucke mir die Spiele der Gegnerinnen an und entwickle dann den Matchplan. Und natürlich passt auch das Drumherum: Wir verstehen uns auch neben dem Court gut, gehen zusammen essen und spielen manchmal noch Backgammon.
Wer gewinnt, wenn Sie beide gegeneinander auf dem Tennisplatz antreten?
Ich muss sehr stark spielen, um eine Chance zu haben. Ich würde einen Satz wohl 3:6 oder 4:6 verlieren. Aber wir spielen nicht mehr so viele Punkte, es geht mehr ums Bälle schlagen – bei Cross-Rallyes kann ich gut mithalten.
Sie sitzen in der Spielerbox immer neben Kerbers Mutter Beata ...
Beata kommt nur zu großen Turnieren.
Wenn Sie neben ihr in der Box sitzen, scheinen Sie kein Wort miteinander zu wechseln. Wie ist Ihr Verhältnis?
Super! Aber im Match reden wir nicht miteinander, man versucht, sehr konzentriert zu sein. Da sind wir uns ähnlich und haben keine Lust auf Smalltalk. Die zwei Stunden läuft Angies Match, da spiele ich dann auch nicht mit dem Handy herum. Sondern versuche so viel zu helfen, wie man darf ...
Wie können Sie aus der Box helfen?
Man versucht eine Ausstrahlung zu haben, die sehr positiv ist. Man darf keine taktischen Ratschläge geben. Aber wenn Angie dicht bei einem ist, versucht man schon mal etwas reinzuschreien.
Beata Kerber öffnet angeblich auch die Liebesbriefe und Heiratsanträge an Angie. Auch die an Sie?
Leider nein, ich habe noch keinen Heiratsantrag bekommen. Dabei wäre ich empfänglicher für so etwas als Angie.
Angelique Kerber hat ihren Wohnsitz nicht mehr in Kiel, sondern in Polen. Auch jetzt zwischen den US Open und der anstehenden Asienreise war sie wieder in Puszczykowo, wo ihre Großeltern die Angelique Kerber Tennis Academy betreiben. Was ist an diesem Ort das Besondere?
Sie fühlt sich dort sehr wohl, das ist mit Heimat verbunden. Es ist einen Tick abgeschotteter, die Trainingsmöglichkeiten sind super, wir haben vier Hallenplätze, fünf draußen, ein Hotel direkt dabei. Sie wohnt in der Nähe, in ihrem Zuhause, und ihre Großeltern wohnen auch zu Fuß erreichbar von der Halle. Und wenn ich nicht da bin, hat sie andere Coaches, mit denen sie spielen kann.
Woran werden Sie mit Kerber in der Off-Season in Polen arbeiten?
Körperlich muss sie weiter topfit bleiben. Momentan ist sie für mich die fitteste Spielerin auf der Tour. Da werden wir weiter dranbleiben mit unserem Konditionstrainer Dominik Labonte aus Frankfurt. Spielerisch ist immer der Aufschlag ein Thema – dass der aggressiv bleibt und noch stärker wird. Und generell Angies aggressives Spiel.
Werden Sie beide auf Boris Beckers Rat hören, dass man als Nummer eins seinen Turnierplan entschlacken muss?
Wir sind gerade dabei, den Turnierkalender für nächstes Jahr zu entwickeln. Sie ist eine Wettkämpferin, sie wird weiter viel spielen. Aber natürlich werden wir versuchen, hier und da mal eine Trainingsphase mehr einzubauen.
Welche Tipps gibt Becker?
Boris hat zu mir in Australien nach Angies Halbfinalsieg gesagt: „Okay Torben, Glückwunsch, erstes Grand-Slam-Finale, aber noch nicht zufrieden sein, das große Spiel kommt noch.“
Als Sie Kerber zum ersten Mal betreuten, unternahm sie mit 16 ihre ersten Schritte auf der Profitour. Sie starteten mit einem Tagessatz von 150 Euro. Der dürfte sich inzwischen deutlich erhöht haben. Immerhin gewann Kerber allein bei ihrem US-Open-Triumph 3,1 Millionen Euro. Sind Sie inzwischen auch Multimillionär?
Nix Multimillionär! Und ausgesorgt habe ich auch noch nicht. Zu Summen nehme ich keine Stellung. Aber ich kann sagen: Wir sind allesamt zufrieden mit dem, was wir verdienen.