Rio de Janeiro. Nach Bronze 2008 und Silber 2012 gewinnt die Handbikerin Dorothee Vieth das Zeitfahren
Beim Trainingslager im März auf Mallorca hatte Dorothee Vieth noch gezittert, ob es überhaupt mit der Nominierung für die Paralympics klappen würde. Doch die Hamburger Handbikerin erhielt von Bundestrainer Patrick Kromer einen der sechs Startplätze im Bereich Radsport. Eine weise Entscheidung: Am Mittwoch siegte die 55-Jährige im Zeitfahren der Klassen H4 und H5 über 20 Kilometer in 31:35,46 Minuten vor Andrea Eskau (Magdeburg/32:15,42). Für Vieth war es die erste paralympische Goldmedaille.
„Das ist unglaublich, grandios. Die Freude ist riesengroß. Es war die Hölle. Es war heiß, und auf dem Rückweg hatten wir Gegenwind“, jubelte Vieth. Wie lange sie sich solche Qualen noch antun will, weiß sie noch nicht genau. „Ob ich noch ein oder zwei Jahre weitermache, muss ich in Ruhe überlegen.“ Es schwirre natürlich auch der „Gedanke durch den Kopf aufzuhören“. Sicher ist nur: „In Tokio 2020 werde ich nicht dabei sein.“
Vieth will wieder mehr Zeit für Familie und Freunde, für Hobbys, aber auch für ihren Beruf als selbstständige Geigenlehrerin haben. Für ihren Traum von Gold musste sie ihre Schülerinnen und Schüler bis nach Rio vertrösten, „aber das war kein Problem, die haben mir alle die Daumen gedrückt“.
Dass sie mit 55 noch so fit ist, überrascht Vieth nicht. Sie sei schon von Berufs wegen „sehr diszipliniert – und das bin ich beim Sport auch“. Dort hat sie sich stetig entwickelt, gewann in Peking 2008 Bronze und 2012 in London Silber. Eine Entwicklung hat sie auch in ihrem Sport ausgemacht: „Es ist alles professioneller geworden. Mit einem Rad von der Stange, wie noch vor einigen Jahren, hättest du heute keine Chance mehr.“ Kurz nach Vieth gewann der sogar 58-jährige Dortmunder Hans-Peter Durst erstmals Gold im Zeitfahren. Vor Vieth war schon Abonnement-Sieger Michael Teuber zu seinem vierten Paralympics-Erfolg im Zeitfahren in Serie gerast. Ebenfalls Gold im Zeitfahren gewann wie schon in London der frühere Formel-1-Pilot Alex Zanardi (49) aus Italien.
Knapp 20 Kilometer von der Radstrecke entfernt schrieb auch Franziska Liebhardt ihre tolle Geschichte weiter. Nicht einmal 20 Stunden nach ihrem Sieg im Kugelstoßen gewann die 34-jährige Leverkusenerin, die an einer unheilbaren Autoimmunkrankheit leidet, zum Abschluss ihrer Karriere Silber im Weitsprung. Mit 4,42 Metern musste sie sich nur der Chinesin Xiaoyan Wen (5,14 Meter) geschlagen geben.