Hamburg. Schwergewichts-Boxprofi aus Hamburg tritt in Neuseeland zu WM-Ausscheidungskampf an
Er weiß genau, dass sie in ihm ein Opfer sehen. Einen, der mal als kommender Weltmeister im Schwergewicht galt, bis ihn der Erwartungsdruck, Verletzungen und der eigene Charakter, zu weich zu sein für die Schlachten im Ring, aus der Bahn warfen. Einen, der einen guten Kampfrekord mitbringt, aber ein leichtes Ziel darstellt. Doch genau das, sagt Alexander Dimitrenko, treibe ihn an, sich am kommenden Dienstag aufzumachen ans andere Ende der Welt. „Die unterschätzen mich, doch genau das ist meine Motivation“, sagt der 34 Jahre alte Hamburger, der am 1. Oktober im neuseeländischen Auckland gegen Lokalmatador Joseph Parker um das Recht kämpft, IBF-Weltmeister Anthony Joshua (England) herauszufordern. „Ich habe nichts zu verlieren, aber ich weiß, dass ich gewinnen kann.“
Keine Frage: Dimitrenko, geboren als Ukrainer auf der Krim und seit 2010 deutscher Staatsbürger, ist an einem Punkt seiner Boxkarriere angekommen, an dem er nicht die Rosinen aus den Angeboten herauspicken kann, sondern die Chancen ergreifen muss, die sich ihm bieten. Nach dem Verlust seines EM-Titels an den Bulgaren Kubrat Pulev im Mai 2012 hat er innerhalb von vier Jahren nur sechs Profikämpfe gegen kaum ernst zu nehmende Konkurrenz absolviert, zumal ihn im Sommer 2014 ein Achillessehnenriss weit zurückwarf.
Er hatte mit seiner Karriere schon abgeschlossen; umso erstaunlicher ist es, dass er – obgleich ohne Promoter und nur mit einem zwei Mann starken Trainerteam unterwegs – nun noch einmal eine solche Möglichkeit zur Rückkehr in die Weltspitze erhält. Dass der zehn Jahre jüngere, in 20 Profikämpfen unbesiegte und als extrem schlagstark geltende Parker Favorit ist, interessiert Dimitrenko wenig. „Ich habe in seinen Augen gesehen, dass er noch nicht reif ist. Ihm fehlt Erfahrung, die ich habe“, sagt er.
Weil Dimitrenko in der Vergangenheit bisweilen den Eindruck hinterließ, nicht genug Biss zu haben, um sein zweifellos vorhandenes Talent in entsprechende Erfolge umzusetzen, und weil er in diesem Jahr schon mehrfach für lukrative Kämpfe gehandelt wurde, ohne letztlich anzutreten, gibt es auch jetzt wieder einige, die bezweifeln, dass er das Flugzeug nach Down Under besteigt.
Dimitrenko sieht auch das als zusätzliche Motivation, beweisen will er allerdings nicht seinen Zweiflern, sondern sich selbst, dass er noch zu Großem fähig ist. „Für mich war immer klar, dass ich nicht aufhöre. Jetzt gab es endlich ein seriöses Angebot. Allen, die mich schon abgeschrieben haben, sage ich: Ich bin wieder im Gespräch!“ In welcher Form, das wird der 1. Oktober zeigen müssen.