Paris. Der Portugiese Cristiano Ronaldo vergibt beim 0:0 gegen Österreich sogar einen Elfmeter
Die Teamkollegen nahmen Cristiano Ronaldo in ihre Mitte und eskortierten ihn zum Mannschaftbus. Bloß nicht zu viele Worte, vor allem: kein falsches. Nach seinem Kommunikationsdesaster gegen Island („kleine Mentalität“) schien Ruhe die geeignete Superstarpflicht. Denn dass es für CR7 an diesem Abend nichts zu gewinnen gab, das hatte sich ja vorher schon hinlänglich auf dem Platz gezeigt.
Direktabnahme an den Pfosten nach der schönsten Kombination des Abends und Vorlage des künftigen Dortmunders Raphaël Guerreiro. Epochale Paraden von Torwart Robert Almer gegen seine brachialen Linksschüsse wie seine erhabenen Kopfbälle. Als eine Steigerung der Pein kaum noch möglich schien: Foulelfmeter an den Pfosten. Und als die Grenze zur Groteske längst überschritten war: ein (zu Recht) aberkanntes Abseitstor. Da musste Ronaldo fast selber lachen.
Gegner Österreich bescherte die Mischung aus fehlender portugiesischer Fortune und einem sensationellen Almer jedenfalls ein seltenes Hochgefühl. Den zweiten Punkt im fünften EM-Spiel der Landesgeschichte und Anlass, auch mal über andere lachen zu können. „Messi, Messi“, schallte es durch den Pariser Prinzenpark. Im ewigen Fernduell der beiden multiplen Weltfußballer hat der Argentinier bei der parallelen Copa América schon viermal getroffen und sein Team ins Halbfinale geführt. Ronaldo wartet nach zwei EM-Spielen auf seinen ersten Treffer – trotz 20 Torschüssen.
Mit 128 Länderspielen ist er nun alleiniger Rekordhalter
Warum der Superstar von Real Madrid gegen Island und Österreich nicht so trifft wie gegen Getafe und Wolfsburg, wäre an sich natürlich ein spannendes Gesprächsthema gewesen. Neun Tore in 29 Spielen bei EM oder WM (Schnitt: 0,31) bedeuten nicht mal ein Drittel seiner Quote bei Real (1,05), nicht mal die Hälfte der Ausbeute seiner Vereinskarriere (0,73) und unterschreiten auch noch den bescheideneren Gesamtwert bei Länderspielen (0,45).
Problematisierungen waren an diesem Abend allerdings nicht erwünscht. Obwohl Ronaldo just mit diesem Länderspiel – seinem 128. – zum alleinigen Rekordinternationalen Portugals aufstieg, verhängte dieses eine Art CR7-Maulkorb. Ronaldos Elfmeter? „Ich würde lieber nicht darüber sprechen“, sagte Trainer Fernando Santos. „Wir sollten nicht individualisieren, die Mannschaft hatte auch andere Chancen“, erklärte Guerreiro über den Star, der in seiner Heimat fast wie ein Heiliger verehrt wird. Ronaldo selbst gelang durch generöses Selfie-Shooting mit einem Flitzer immerhin auf der Imageebene noch ein Achtungserfolg.
Im portugiesischen Fernsehen erklärte er, „stolz“ auf den von Luís Figo übernommenen Länderspielrekord zu sein, auch wenn er zugab, sich so das Rekordspiel nicht vorgestellt zu haben. Den Fans machte er Mut: „Das Böse dauert nicht ewig.“ Unter den Anhängern teilte er die Welt schon immer in pro und contra. Neuerdings wird jedoch auch innerhalb der Branche vermehrt gelästert. Wo die Berufskollegen seiner sportlichen Klasse früher einhellig Respekt zollten, machten sich Isländer wie Kári Árnason („Er nestelt an sich rum und fällt durch die Gegend“) offen über ihn lustig. Während des Österreich-Spiels twitterte die englische Stürmerlegende Gary Lineker nun einen bösen Vergleich mit seinem madrilenischen Co-Galáctico Gareth Bale. „Ronaldo: kein Tor aus 36 Freistößen bei internationalen Turnieren. Bale: zwei Tore aus drei Freistößen.“ Beklagen kann sich Ronaldo über solche Häme kaum, er macht sich ja von selbst angreifbar, durch immer neue Eitelkeitsstufen – zuletzt veröffentlichte sogar seine Mutter ihre Autobiographie („Mutter Courage“).
Was die weitere EM angeht, gibt es vor Portugals „vorgezogenem Finale“ (Santos) am Mittwoch gegen Ungarn jedoch tatsächlich Hoffnung. Schon beim Turnier vor vier Jahren hatte Ronaldo schließlich eine Art göttliche Komödie hingelegt. In zwei torlosen Spielen gegen Deutschland und Dänemark samt pampiger Gesten und stumpfer Breitseiten ging er durch Hölle und Fegefeuer, um dann mit einer grandiosen Performance im dritten Spiel gegen die Niederlande doch noch die Pforte zum Paradies zu öffnen. Wenn man denn das Erreichen der K.-o.-Runde als solches betrachtet.
Das Ausscheiden in einer Gruppe mit drei fußballerisch limitierten Teams wäre für Portugal jedenfalls eine Blamage. So richtig glauben mag daran niemand – ironischerweise spielt die Mannschaft ja bisher wirklich guten Fußball. „Wir sind ein bisschen sauer, weil wir eigentlich gewinnen mussten“, lieferte Altmeister Ricardo Carvalho, 38, das Schlusswort. Gefragt worden war auch er nach Cristiano Ronaldo.
Portugal: Patricio – Vieirinha, Pepe, Ricardo Carvalho , Guerreiro – William Carvalho – Joao Moutinho, André Gomes (83. Eder) – Quaresma (71. Mario), Nani (89. Rafa Silva), Ronaldo. Österreich: Almer – Klein, Prödl, Hinteregger, Fuchs – Baumgartlinger, Ilsanker (87. Wimmer) – Sabitzer (85. Hinterseer), Arnautovic – Alaba (65. Schöpf) – Harnik. Schiedsrichter: Rizzoli (Italien). Zuschauer: 44.291. Gelbe Karten: Pepe, Quaresma - Harnik, Fuchs, Hinteregger, Schöpf. Bes. Vorkommnis: Ronaldo schießt Fouelfmeter an den Pfosten (79.). Erweiterte Statistik:Torschüsse 23:3, Ecken 10:0, Ballbesitz 56:44 Prozent, Zweikämpfe 90:82.