Paris/Évian-les-BaiNS. Götze spielt entweder überragend, oder mies. Geht so, gibt’s nicht. Dabei leidet er bei dieser EM an einer Verengung des Spielplatzes.
Ein famoser Wandspieler ist Mario Götze. Man haut ihm einen straffen Ball hin, und der 24-Jährige lässt ihn sicher an sich abprallen. Wie er diese seltsame Partie gegen Polen ohne Tore bewerte? Götze lächelte – und ließ abtropfen: „Vier Punkte, ist nicht ganz so schlecht“, erwiderte die Sturmspitze, die wie gegen die Ukraine wieder ziemlich stumpf ausgesehen hatte.
Aber Mario Götze hat seit der WM 2014 auch gelernt, dass ohnehin viele von ihm glauben, der Arroganz nicht ganz unverdächtig zu sein, und deshalb nahm der Münchner den hingespielten Ball doch auf: „Wir haben uns auch mehr erhofft. Aber es war schwierig gegen einen so tief stehenden Gegner.“
Eine solche Sowohl-als-auch-Einschätzung gibt es bei der Bewertung von Götzes Leistung so gut wie nie. Bei ihm scheint es nur zwei Aggregatzustände zu geben: die heiße Entzückung (ganz früher oft), oder die frostige Enttäuschung (heute oft).
Deutschland gegen Polen – die besten Bilder
Dazwischen findet man nichts. Götze spielt entweder überragend, oder mies. Geht so, gibt’s nicht. Das zeigte sich in einem „Abschiedsbrief“ an den ehemaligen Weltklasseangreifer Götze, der auf „focus.de“ erschienen ist. Und das wiederum erzeugte heftige Reaktionen, die wie die des ehemaligen HSV-Profis Dennis Aogo: Er nannte den Artikel „respektlos“ gegenüber dem Sportler und Menschen Götze. Dass dieser gegen Polen viel nach hinten gearbeitet hatte, wie Bundestrainer Joachim Löw hervorhob – unwichtig. Vorn spielt bekanntlich die Musik, und da sucht Götze noch immer nach dem passenden Beat.
Es geht bei der EM auch um die Zukunft von Götze
„Wir hätten uns natürlich mehr Möglichkeiten erspielen müssen. Aber wenn zehn Mann verteidigen, ist es nicht leicht, Tiefe zu schaffen“, sagte er. Götze leidet bei dieser EM an einer Verengung des Spielplatzes, was erstaunlich ist. Denn er ist genau der Spieler, der den Raum weiten soll – mit Sprints in die Tiefe, mit schnellen, kurzen Richtungsänderungen und mit einer Kombinationsfähigkeit, die man Wandspielern wie ihm zuschreibt.
Götze Spiel, das man irgendwann mal „falsche Neun“ oder „hängende Spitze“ getauft hat, ist eigentlich prädestiniert für die Enge. Aber bisher ist Götze die durchhängende Spitze geblieben. Entweder interessierte sich die Partie kaum für ihn wie gegen die Ukraine. Oder Löw entzog ihm früh die Aufenthaltserlaubnis im Angriff wie gegen Polen, als er ihn früh auswechselte. Das macht den Wahl-Bayer zur Symbolfigur der Sturmflaute. „Vielleicht müssen wir es da mehr über die Außen mit Flanken versuchen“, sagte Götze auf die Frage, welche Offensivstrategie man nun gegen Nordirland verfolgen werde. Dort sollen ebenso baumlange Verteidiger gesichtet worden sein wie bei den Polen. Flanken, das spreche gegen seine erneute Nominierung. Götze aber sagte auch: „Es geht um die Mannschaft.“
Erstaunlich ist das deshalb, weil es bei dieser EM auch um seine Zukunft geht. Dass sie ihn bei den Bayern gern nach Liverpool verkauft hätte, ist kein Geheimnis. Spielt er ein gutes Turnier, werden Angebote eintreffen, die ihn vielleicht von einem Wechsel überzeugen. Oder ein gewisser Carlo Ancelotti überlegt sich noch einmal, ob er Götze für seine Bayern-Vision nicht doch gebrauchen könnte. Bisher spielt Götze aber kein gutes Turnier.
Was er von sich selbst noch in Frankreich erwarte, wurde Götze gefragt. Wieder ein straffer Ball. Und wieder ließ er ihn abprallen: „Grundsätzlich, dass wir die Spiele gewinnen“, sagte Götze. Lächeln. Er würde dann aber schon auch gern ein Tor von sich sehen, fügte er an. Es wäre auch nötig.