Die internationale Presse reagiert mit viel Kritik auf das 0:0 gegen Polen. Auch ein ehemaliger Kapitän kritisiert „Die Mannschaft“.
Nullnummer bringt TV-Rekord
Die Fußballbegeisterung der Fernsehzuschauer wird immer größer. 27,32 Millionen Fans verfolgten das 0:0 von Deutschland gegen Polen im ZDF. Die Übertragung des zweiten EM-Gruppenspiels der DFB-Auswahl erreichte einen bemerkenswerten Marktanteil von 73,3 Prozent. Damit wurden die hohen Werte vom ersten Match gegen die Ukraine (26,57 Millionen/68,5 Prozent) nochmals übertroffen.
Am Donnerstagabend entschieden sich drei von vier TV-Zuschauern, die um 21 Uhr ihr Gerät eingeschaltet hatten, für den Auftritt des Löw-Teams. Die Nullnummer gegen Polen ist damit die meistgesehene TV-Sendung im Jahr 2016.
Der Rekord könnte bereits am Dienstag wackeln, wenn Deutschland im letzten Gruppenspiel auf Nordirland trifft. Die ARD überträgt die Partie, die um 18 Uhr beginnt. Zu dieser Zeit sitzen allerdings erfahrungsgemäß nicht so viele Menschen vor dem Bildschirm wie nach 20 Uhr.
Das sagt die Presse
Pressestimmen zum Spiel Deutschland - Polen
Löw ergänzt Boatengs Kritik
Bundestrainer Joachim Löw und Abwehrchef Jerome Boateng sind nach der trostlosen Nullnummer gegen Polen im zweiten EM-Spiel mit der DFB-Offensive hart ins Gericht gegangen. „Wir haben vorne kein Eins-gegen-Eins gewonnen, die Bewegung hat gefehlt. Das muss sich verbessern, sonst kommen wir nicht weit“, sagte Weltmeister Boateng.
Löw ergänzte: „Das Problem war das gesamte Spiel über, dass wir im letzten Drittel das Tempo nicht erhöht haben. Wir haben eher rausgenommen, abgebrochen - und dann waren neun Polen hinter dem Ball. In der Offensive war das nicht das, was man von unserer Mannschaft erwarten kann.“
Lethargische DFB-Elf im Glück gegen Polen
Stattdessen habe sein Team dem Gegner auch noch in die Karten gespielt. „Hohe Bälle in den Sechzehner - das ist genau das, was die Polen wollen, beide Innenverteidiger sind in der Luft sehr gut.“ Deshalb habe er dem spielstarken Mario Götze Stoßstürmer Mario Gomez vorgezogen, „aber der ganzen Offensive hat die Durchsetzungsfähigkeit gefehlt“.
Diesen Eindruck bestätigte auch Kapitän Manuel Neuer. „Wir waren im letzten Drittel nicht so variabel und haben nicht so gut umgeschaltet“, sagte er, und ergänzte: „Auch bei den Standards waren wir ungefährlich.“
DFB ändert Spielwertungsregeln
Der Deutsche Fußball-Bund passt sein Regelwerk für die Spielwertung bei Dopingvergehen an die von Fifa und Uefa vorgegebenen Richtlinien an. Bei einer Präsidiums-Sitzung in Paris wurde beschlossen, in einem erwiesenen Dopingfall künftig neben den Strafen gegen einzelne Spieler auch Sanktionen gegen den Verein zu verhängen. Dem Club muss allerdings ein Verschulden nachgewiesen werden. Gleiches gilt, wenn mehr als zwei Spieler einer Mannschaft gegen die Anti-Doping-Bestimmungen verstoßen haben.
Wie der DFB am Freitag mitteilte, war die Erkrankung von Marco Russ Ausgangspunkt der Überlegungen im DFB-Präsidium. Beim Abwehrspieler von Eintracht Frankfurt deutete eine positive Probe auf Doping hin. Die erhöhten Werte waren aber auf eine Tumorerkrankung zurückzuführen. Das Verfahren wurde mittlerweile eingestellt und Russ erfolgreich operiert. Die Regelungen sollen langwierige Prozesse verhindern. Sie treten zur Spielzeit 2016/2017 in Kraft.
Hitzfeld lobt Hummels
Der Dortmunder und Münchner Meistertrainer Ottmar Hitzfeld hat Mats Hummels’ Leistung im zweiten Gruppenspiel bei der EURO in Frankreich gelobt. „Er hat sehr solide gespielt und zwei-, dreimal in extremen Situationen noch gerettet“, sagte der 67-Jährige dem SID am Rande eines Public Viewings bei Camp David in Dortmund nach dem 0:0 der Weltmeister gegen Polen am Donnerstagabend.
Hummels hatte sein Comeback nach knapp vierwöchiger Verletzungspause gegeben und bis auf wenige Patzer in der Anfangsphase eine solide Leistung gezeigt. Bundestrainer Joachim Löw hatte den Neu-Münchner für Shkodran Mustafi in die Startelf berufen. „Hummels ist auf einem sehr guten Weg. Ihm fehlen vielleicht noch zehn Prozent, die Spielpraxis und die Antrittsschnelligkeit“, sagte Hitzfeld.
Die Partie im Stade de France von St. Denis sei „kampfgeprägt“ gewesen und habe „viele Offensivszenen auf beiden Seiten geboten“, sagte Hitzfeld: „Polen hat sich nicht versteckt. Und Deutschland hat lange Zeit keine Lösungen gefunden, um sich gefährlich durch die Reihen zu spielen, weil Polen die Räume eng gemacht hat, kompakt verteidigt hat und dann schnell umgeschaltet hat.“
Ex-Kapitän Ballack kritisiert Team
Der langjährige Nationalmannschaftskapitän Michael Ballack hat seine Nachfolge-Generation für ihre brotlose Kunst kritisiert. „Dieser Mannschaft fehlen ein bisschen Persönlichkeit und Charakter, sagte der 39-Jährige als Experte des US-Senders ESPN.
„Die Schwäche dieses Teams ist, dass sie alles schön machen und den Ball ins Tor tragen wollen“, ergänzte Ballack: „Natürlich will man schönen Fußball spielen. Aber manchmal muss man sich auch einfach darauf konzentrieren zu gewinnen.“ Die Polen habe er beim enttäuschenden 0:0 im zweiten EM-Spiel in Saint-Denis seien „das bessere Team“ gewesen, ergänzte der „Capitano“. Zudem hätten die Spieler, die eingewechselt wurden, „nichts geändert.“
Was sagt uns das 0:0?
Mats Hummels ist zurück. Vor der Pause wirkte er einige Male verunsichert, nach der Pause war er verbessert. Aus Fitnessgründen zunächst noch kein verlässlicher Partner von Jerome Boateng. Auch die Außenverteidiger Benedikt Höwedes und Jonas Hector haben noch viel Luft nach oben. Bei allem Lob für seine Abwehr sollte Bundestrainer Joachim Löw davor nicht die Augen verschließen.
Laues Lüftchen im Sturm
Ob falsche Neun oder richtige Neun: Die Bilanz der deutschen Stürmer nach zwei Spielen weist null Tore auf. Damit könnte man leben, wenn Mario Götze oder Mario Gomez hochkarätige Chancen besäßen und das Pech Pate stünde. Aber das ist nicht der Fall. Götze als falsche und Gomez (in allerdings nur gut 20 Minuten) als richtige Neun waren ungefährlich, auch, weil die richtigen Anspiele fehlten. Das muss besser werden.
Es müllert nicht
Zehn Treffer bei zwei WM-Endrunden, null Tore in sieben EM-Spielen: Bei kaum einem Offensivspieler ist der Unterschied zwischen WM und EM so gravierend wie bei Thomas Müller. In den beiden Spielen gegen die Ukraine und Polen war der DFB-Torjäger weit von seiner Bestform entfernt. Warum er unter seinen Möglichkeiten spielt, müssen Müller und Löw ergründen - und das möglichst schnell.
Zeitarbeiter Özil
Der Hochbegabte bringt seine Fähigkeiten nicht ein. Ein gefährlicher Schuss und eine gute Vorlage sind viel zu wenig. Der Lieblingsschüler von Löw zahlt das in ihn gesetzte Vertrauen nicht zurück und enttäuscht bislang auf der ganzen Linie. Vielleicht täte ihm eine Denkpause gut. Löw darf weiter von Geniestreichen des Supertechnikers träumen, aber dem Treiben des schlampigen Genies auch nicht mehr lange tatenlos zusehen. Özil selbst sagte zu Polen-Spiel: „Die standen ja mit 20 Mann hinten. Das ist normal, dass man dann seine Schwierigkeiten hat.“
Das zweite Spiel
Im Trainingslager fährt Deutschland die Konzentration hoch, gewinnt das erste Spiel - und dann kommt das Loch. Seit 2000 gewann Deutschland nur eines von fünf zweiten Spielen. Und setzt sich damit unter Zugzwang. Das dritte sollte nun gewonnen werden.