Marseille. England zeigt eine offensive Partie, doch vergab zu viele Chancen. Russland ist der gefühlte Gewinner. Ausschreitungen am Stadion.
Durch einen Ausgleich in vorletzter Minute hat England auch im neunten Anlauf den ersten Auftaktsieg bei einer Fußball-EM verpasst. Russlands Wasili Beresuzki schockte die Three Lions in der Nachspielzeit und erzielte per Kopfball das schmeichelhafte 1:1 (0:0). Eric Dier hatte die überlegenen Engländer in Marseille in der 73. Minute in Führung gebracht.
Angetrieben von Kapitän Wayne Rooney in ungewohnter Mittelfeldrolle ließ die Mannschaft von Trainer Roy Hodgson aber zu oft die letzte Genauigkeit vermissen. Der ansonsten überragende russische Keeper Igor Akinfejew sah beim Gegentreffer nicht gut aus, der kürzlich eingebürgerte Schalker Bundesliga-Profi Roman Neustädter gab bei Russland ein ordentliches Pflichtspieldebüt. Vor und nach der Partie lieferten sich Anhänger beider Teams am Alten Hafen von Marseille und im Stadion gewalttätige Auseinandersetzungen.
Viele Chancen, keine Tore
Von Beginn an dominierten die Engländer mit einem ultraoffensiven 4-1-2-3-System. Adam Lallana vom FC Liverpool bot sich in der siebten Minute die erste der beiden besten Chancen der ersten Hälfte: Bei seinem Schuss aus elf Metern bekam Akinfejew gerade noch rechtzeitig die Fäuste hoch. In der 22. Minute verzog Lallana, sein Flachschuss ging am langen Eck vorbei.
Die junge Mannschaft von Trainer Roy Hodgson erarbeitete sich dank ihrer Schnelligkeit und der gewachsenen fußballerischen Fähigkeiten immer wieder Vorteile. Rooney schien im linken Mittelfeld gut aufgehoben. Der 30-Jährige wurde immer wieder als Anspielstation und Vorbereiter gesucht. Er genoss die Freiheiten ohne direkten Gegenspieler in seiner Rolle sichtlich und verteilte klug die Bälle. Auch Rooney prüfte Schlussmann Akinfejew, der erneut faustete (35.).
Einziges Manko beim Weltmeister von 1966: Trotz der Überlegenheit gelangen bis zur Pause keine Tore, auch weil zu oft das letzte Zuspiel nicht gelang. Torjäger Harry Kane - einer von fünf Spielern von Tottenham im Team - bekam keinen brauchbaren Ball und blieb gegen die erfahrene Innenverteidigung ohne Wirkung.
Russland zog sich weit in die eigene Hälfte zurück und verlegte sich aufs Kontern. Ein Kopfball von Sergej Ignaschewitsch (17.) blieb bis zur Pause aber der einzige Versuch auf das Tor. Keeper Joe Hart musste erst wieder bei einem Kopfball-Aufsetzer von Dier auf den eigenen Kasten eingreifen (59.). Ein Schlenzer von Fjodor Smolow (63.), der am Pfosten vorbeiging, war danach noch gefährlicher.
Zu diesem Zeitpunkt verlief die Partie vor den 62.343 Zuschauern nicht mehr so einseitig. Die Engländer hatten das Tempo ein wenig herausgenommen und waren weiterhin nicht zielstrebig genug. Bis 20 Minuten vor Schluss: Rooney sah seinen Flachschuss aus 14 Metern schon auf dem Weg ins Tor, Akinfejew bugsierte den Ball noch an die Latte (71.). Diers Freistoß rauschte dann an ihm vorbei ins Netz. Zu diesem Zeitpunkt sahen die Engländer wie die Sieger aus, freuten sich aber zu früh.
Randale auch im Stadion
Football Soccer - England v Russia - EURO 2016 - Group B - Stade Vélodrome, Marseille, France - 11/6/16 England fans try to escape trouble in the stadium at full time REUTERS/Eddie Keogh Livepic REUTERS Eddie Keogh
Auch nach dem Abpfiff des ohnehin von Krawallen überschatteten EM-Spiels zwischen England und Russland (1:1) gab es im Stade Velodrome von Marseille Ausschreitungen. Nach dem späten Ausgleich der Sbornaja wollten russische Fans einen englischen Block stürmen, Leuchtraketen flogen, Fahnen wurden von den Zäunen gerissen.
Die englischen Fans flüchteten sich an den Rand, die Treppen hoch oder über die Zäune in den Innenraum. Es kam zu Schlägereien, die Ordner wurden überrannt.
Über Stunden war es den gesamten Samstag über am alten Hafen und vor dem Stadion zu schweren Ausschreitungen gekommen, ein Mann aus England musste wiederbelebt werden. Er schwebt in Lebensgefahr. Es gab vier weitere Verletzte, sechs Personen wurden festgenommen.
Bilder der Ausschreitungen zwischen Gruppen aus England, Russland und Frankreich zeigen, wie Fans am Boden liegen, andere treten auf sie ein. Im französischen Fernsehen waren fliegende Stühle und Jagdszenen zu sehen.