Hamburg. Hamburgs Eishockeyteam wird endgültig keine Lizenz für die Saison 2016/17 beantragen, obwohl Unterstützer 1,2 Millionen Euro sammelten

    Alexander Berthold
    Björn Jensen

    Mit Tränen in den Augen trat Uwe Frommhold am Mittwochabend um 23.14 Uhr vor die Tür der Geschäftsstelle der Hamburg Freezers in der Volksbank-Arena. Und es war keine Freude, die den Geschäftsführer des Clubs zu Tränen rührte. Den rund 200 Fans, die mehrere Stunden in Erwartung positiver Nachrichten im Volkspark ausgeharrt hatten, musste Frommhold, der von Geschäftsleitungsmitglied Thomas Bothstede und Pressesprecher Jan-Hendrik Schmidt begleitet wurde, die traurige Gewissheit überbringen: Clubeigner Anschutz Entertainment Group (AEG) hatte nach langer Beratung mitgeteilt, die Ankündigung vom vergangenen Mittwoch umzusetzen und keine Lizenz für die Saison 2016/17 in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) zu beantragen.

    Damit endet nach 14 Jahren die bewegte und am Ende höchst bewegende Geschichte eines Clubs, der im Sommer 2002 mit der Lizenz der München Barons nach Hamburg verpflanzt worden war und sich nach einem Höhenflug zu Beginn und einem tiefen Tal in den Jahren 2007 bis 2011 zu einer Institution in der Sportstadt Hamburg entwickelt hatte, die die Herzen der Sportfans erreicht hat. „Es tut mir unendlich leid für alle, die an den Freezers hängen“, sagte Frommhold – und rührte damit alle Anwesenden zu Tränen. Eine Frau brach gar mit Kreislaufproblemen zusammen.

    Zuvor hatte Frommhold den 18 Mitarbeitern der Geschäftsstelle, die trotz einer bis zum heutigen Mittwoch ausgesprochenen Freistellung geschlossen von zehn Uhr an im Büro verharrt hatten, die Entscheidung aus der AEG-Zentrale in Los Angeles mitgeteilt, die AEG-Europachef Tom Miserendino damit begründete, dass die Unterdeckung des Budgets trotz aller Bemühungen in den vergangenen Tagen zu hoch gewesen sei. „Wir sind nicht weiter bereit, Verluste dieser Größenordnung auszugleichen, und wollen uns kein zweites Team in der Liga mehr leisten“, sagte er. AEG besitzt auch die Eisbären Berlin.

    Um 24 Uhr wäre die Frist für die Beantragung einer Spielgenehmigung abgelaufen. Die Entscheidung darüber, trotz eines jährlichen Verlusts von kolportierten zwei bis 2,5 Millionen Euro angesichts der unglaublichen Welle der Solidarität Aufschub zu gewähren, musste in Abstimmung mit Firmenchef Phil Anschutz in Los Angeles fallen – mit neun Stunden Zeitunterschied.

    Um 18.41 Uhr hatte der ehemalige Freezers-Pressesprecher Christoph Wulf, der sich der Organisation des von „Eisschränke“-Kapitän Christoph Schubert und Hockey-Nationalspieler Moritz Fürste angeführten Spendensammelprojekts angenommen hatte, der Geschäftsleitung per E-Mail eine stattliche Abrechnung präsentiert. Rund 1,2 Millionen Euro, addiert aus einem Crowdfunding und finanziellen Zusagen von Unternehmen, hatten Sympathisanten der Freezers zur Verfügung gestellt, zudem wäre ein Unternehmen in der kommenden Saison mit 550.000 Euro eingestiegen. Letztlich war dieser Beitrag der AEG-Spitze aber wohl zu gering. Am Dienstagabend war durchgesickert, dass die AEG bei einem Beitrag von zwei Millionen Euro bereit gewesen wäre, den Spielbetrieb um ein Jahr zu verlängern. Der Bitte aus Hamburg, eine Bestandsgarantie für weitere drei Jahre auszustellen, wurde aus Los Angeles eine definitive Absage erteilt.

    „Die Resonanz des Crowdfundings und die Unterstützung aus der Hamburger Wirtschaft waren wirklich erstaunlich“, sagte Miserendino, „dennoch haben wir leider keinen strategischen Partner gefunden, der die Freezers übernimmt.“ Wie das in der Kürze der Zeit hätte möglich sein sollen, nachdem die AEG zuvor seit 2011 selbst erfolglos nach einem Nachfolger gesucht hatte, sagte er nicht.

    „Wir hatten Zusagen von mehr als 20 Unternehmen aus Hamburg, die vier- bis sechsstellige Beträge eingebracht haben“, sagte Wulf, der der Entscheidung am Dienstagabend gemeinsam mit Schubert, dessen Ehefrau Janina, die sich ebenfalls rund um die Uhr engagiert hatte, und Fürste in dessen Privatwohnung entgegenfieberte, „allein das ist eine unfassbare Leistung.“ Das Zeichen, dass eine breite Öffentlichkeit nicht nur in Hamburg, sondern in ganz Deutschland hinter dem Club steht, habe die AEG immerhin zum Nachdenken gezwungen. „Mehr als dass die bei AEG rotieren, konnten wir nicht erwarten“, sagte Wulf. Fürste sagte: „Ich glaube, dass es niemals eine echte Chance gegeben hat.“

    Alle Unterstützer hatten Absichtserklärungen unterzeichnet, das avisierte Geld zur Verfügung zu stellen. Es hätte sich dabei um Einmalzahlungen gehandelt, da die Gruppe um Schubert weder die Prokura hatte, im Namen der Freezers Verträge zu schließen, noch aufgrund bestehender Partnerschaften die Chance bestand, Sponsoringverträge anzubieten. Allerdings wollte man sich mit allen interessierten Unternehmen im Falle einer Rettung zu Gesprächen zusammenfinden, um über eine erweiterte Form der Zusammenarbeit zu diskutieren. Auch mit Firmen aus dem Ausland, die an einem langfristigen Engagement Interesse gezeigt hatten, sollte verhandelt werden. Das ist nun hinfällig.

    Beeindruckend war auch die Summe, die aus dem auf der Internetplattform fairplaid.org angestoßenen Crowd­funding generiert werden konnte. Bis Dienstag, 24 Uhr, hatten 3122 Unterstützer 507.662 Euro zur Verfügung gestellt – ein Wert, den selbst kühnste Optimisten nicht für möglich gehalten hätten. „Das zeigt, wie vielen Menschen die Freezers etwas bedeuten“, sagte Fürste, der sich nicht in seiner Eigenschaft als Direktor Sportmarketing der Werbeagentur Thjnk, sondern als „Sportfan, der für die Vielfalt des Sports in Hamburg kämpft“, engagierte. „So eine Dynamik und eine solche Unterstützung für ein Projekt habe ich noch nie erlebt“, sagte der Nationalspieler vom Uhlenhorster HC.

    Das Crowdfunding könnte für den Erhalt des Jugendeishockeys genutzt werden

    Was nun mit dem Geld passiert, ist noch nicht endgültig entschieden. Die Tendenz ging dahin, die Summe zu verwenden, um den Spielbetrieb des Hamburger Jugendeishockeys, das die Freezers in Kooperation mit dem HSV aufgebaut haben, zu retten. Auch dessen Fortbestand ist durch das endgültige Aus infrage gestellt.

    Am Tag der Entscheidung hatte vom frühen Morgen an Betriebsamkeit an allen Fronten geherrscht. Wenige Stunden vor Ablauf der Frist hatte sich auch die Politik in die Rettung der Freezers eingeschaltet. Nach Abendblatt-Informationen nahm Sportsenator Andy Grote (SPD) telefonisch Kontakt zu Vertretern von AEG in London auf, um die Bedeutung der Freezers für die Stadt noch einmal zu untermauern. Bereits am Montag hatte sich Fürste mit Handelskammer-Chef Hans-Jörg Schmidt-Trenz getroffen und auf einer internen Golfveranstaltung um Unterstützung gebeten. Letztlich jedoch waren alle Anstrengungen umsonst.