Karlsruhe. Eisschnelllauf-Olympiasiegerin muss sich bei ihrer Schadenersatz-Klage über fünf Millionen Euro nach Doping-Sperre weiter gedulden.
Claudia Pechstein wirkte nach dem vielleicht wichtigsten Tag ihrer Karriere optimistisch und auch etwas gelöst. „Ich habe ein gutes Gefühl. Und das Gefühl ist entscheidend auf dem Eis und abseits des Eises“, sagte die 44 Jahre alte Berlinerin nach der mehr als zweistündigen Verhandlung vor dem Bundesgerichtshof am Dienstag in Karlsruhe. Der Kartellsenat hatte danach noch kein Urteil zur Revision des Eislauf-Weltverbandes (ISU) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts München in der Schadenersatzklage der fünfmaligen Eisschnelllauf-Olympiasiegerin gesprochen.
Wie Richterin und BGH-Präsidentin Bettina Limperg mitteilte, wird das Urteil am 7. Juni (09.00 Uhr) verkündet. „Der Senat hat noch gar nichts rausgelassen, wohin er tendiert“, erklärte Prozessbeobachter und Sportrechtler Michael Lehner der Deutschen Presse-Agentur. Er habe weiter die Hoffnung, dass im Juni eine ganz große Entscheidung für die Sportgerichtsbarkeit gefällt werde.
"Größere Argumente" für Pechstein
Die „größeren Argumente“ habe es für die Pechstein-Seite gegeben, fügte der Heidelberger hinzu. Pechstein behauptet, nie gedopt zu haben und kämpft mit ihrer Schadenersatzklage über fünf Millionen Euro gegen ihre Zwei-Jahres-Sperre durch die ISU und die Wiederherstellung ihres ramponierten Rufes. „Die Präsidentin hat einen Super-Job gemacht“, lobte Pechstein, die in Uniform der Polizeihauptmeisterin der Bundespolizei vor Gericht erschienen war.
Sie habe in der Vergangenheit Ausdauer bewiesen und werde das auch weiter tun. „Mein Ziel ist ganz klar. Ich will, dass die Gerechtigkeit siegt.“ Davon könnten dann auch andere Sportler profitieren, da ihnen im Falle ihres Sieges vor dem BGH künftig die Wahl-Möglichkeit zwischen Sportschieds- und Zivilgerichten offen stehe, erklärte Pechstein.
Freiwilligkeit als entscheidende Frage
Sportrechtler Lehner sah wichtige Argumente pro Pechstein auch im Vortrag des Vertreters des Bundeskartellamts vor Gericht. Jörg Nothdurft, Abteilungsleiter Recht im Kartellamt, erläuterte zwar die Vorteile der Schiedsgerichte wie die Beschleunigung der Verfahren und die Konzentration der Zuständigkeiten. Der internationale Sportgerichtshof CAS in Lausanne sei eine „zentrale Stelle mit hoher technischer Expertise“, aber die Organisation des CAS „kann immer noch gegen Kartellrecht verstoßen“. Er bezeichnete ein „Herauffahren der Neutralität“ am Sportgerichtshof für angebracht - und folgte damit der Argumentation von Pechstein.
Deren BGH-Anwalt Gottfried Hammer verdeutlichte, dass sich seine Mandantin nicht generell gegen die Idee internationaler Schiedsgerichte wende. Aber ein Schiedsgericht müsse „sich an den Maßstäben aller Rechtsordnungen messen lassen, von denen es anerkannt werden will“. Entscheidend sei, ob die Klägerin freiwillig gehandelt habe, als sie sich dem CAS unterworfen habe.
ISU-Anwälte wehren sich
Hingegen argumentierte ISU-Anwalt Reiner Hall in der Verhandlung, die mit 25-minütiger Verspätung begonnen hatte: „Die Klägerin hat sich sehenden Auges auf die Athletenvereinbarung eingelassen.“ Als er einräumte, dass sie ohne die Unterschrift nicht zum Wettkampf zugelassen worden wäre, reagierte Pechstein mit einem Grinsen. Auch der zweite ISU-Anwalt Christian Keidel wehrte sich gegen Argumente der Gegenseite: „Den Vorwurf, dass das Schiedsgericht hauptsächlich durch Verbandsvertreter besetzt ist, sehen wir nicht so. An diesen Personen wurde auch nie bemängelt, dass sie unabhängig sind.“
Hingegen meinte Pechsteins Münchner Anwalt Thomas Summerer, der gemeinsam mit der Berlinerin und ihrem BGH-Rechtsbeistand Hammer auf der Kläger-Seite Platz genommen hatte: „Ich bin sehr zufrieden mit dem Verlauf.“ Wenn eine Neutralität des Sportgerichtshofes CAS nicht gegeben sei, dann könne auch das Urteil im Fall Pechstein keinen Bestand haben, argumentierte er. Der CAS hatte 2009 die Sperre gegen Pechstein wegen erhöhter Blutwerte bestätigt. Internationale Hämatologen haben inzwischen nachgewiesen, dass die Blutwerte von einer vom Vater geerbten Anomalie herrühren.