Washington . Beim Super Bowl dreht sich alles um Superlative: die größten Stars, die teuerste Werbung, die höchste Sicherheit.
Es gibt den Unabhängigkeitstag. Es gibt Muttertag. Es gibt Thanksgiving. Und es gibt Super Bowl. Das Endspiel im American Football. Nationalsport Nr. 1. Inbegriff von Athletik, Strategie und geringfügig gezügelter Brutalität. Der höchste ungesetzliche, säkulare Feiertag in den Vereinigten Staaten hat den Stellenwert der Eröffnungsfeier bei den Olympischen Spielen plus WM-Finale im Fußball. Kein Spiel reflektiert die amerikanische Ellenbogengesellschaft mit ihrer Glorifizierung von Tapferkeit und Männlichkeitsmythen deutlicher.
Für ein Drittel der Bevölkerung ist das Ereignis Kult. Wenn sich 110 Millionen Amerikaner mit Pizza, Avocado-Pamps, Kartoffelchips und Bier einmal im Jahr mit Familie, Freunden oder Arbeitskollegen vor dem Fernseher breitmachen und zusehen, wie andere mit dem Kopf durch Wände aus Menschen rennen, sind im Land der unbegrenzten Möglichkeiten für drei Stunden alle gesellschaftlichen Gräben überbrückt und sämtliche Krisen vergessen. Am Sonntag – in Deutschland zu sehen ab 23.15 Uhr auf Sat 1 – ist es wieder so weit.
In Santa Clara, 80 Kilometer südlich von San Francisco, kämpfen die Denver Broncos gegen die Carolina Panthers um die diesmal besonders begehrte Vince-Lombardi-Trophäe. Es ist die 50. Auflage. Rasenschach mit bis zu 150 Kilogramm schweren Kerlen in Polyesterrüstungen, sagen die Gegner des bis in kleinste Detail geregelten Spektakels. Gehirnerschütternder Gladiatorenkampf, den nur Rücksichtslose überleben, sagen die anderen.
Dass die NFL gerade erst einen 60-prozentigen Anstieg bei Kopfverletzungen gemeldet hat, gut zu besichtigen und verstehen im Hollywooddrama „Concussion“ mit Will Smith, wird im Superbowl-Trubel untergepflügt.
Cheerleader, Hollywoodstars und das ganz große Geschäft
Denn entscheidend ist beim Tanz ums goldene Kunststoffei nicht das Geschehen auf dem Platz. Entscheidend ist das Drumherum, bei dem weder Hollywoodstars noch Wirtschaftbosse noch silikongefüllten Cheer Girls fehlen dürfen. Hotels, Taxichauffeure, Kneipen, Stripteaseschuppen und Hotdog-Verkäufer – alle ziehen in Kalifornien in die Dollarschlacht, die weltweit Milliardenumsätze verspricht. Und reihenweise Superlative.
Das sind die superteuren Werbe-Kampagnen beim Super Bowl
Die Nationalhymne am Anfang – diesmal Lady Gaga. Die Tickets im Levi’s-Stadion – bis zu 4000 Dollar auf dem Schwarzmarkt wert. Die Werbespots im Fernsehen – fünf Millionen Dollar für 30 Sekunden. Der erwartete Verzehr von Hühnerflügeln – 1,3 Milliarden Stück. Die Preiseaufschläge für Breitbandfernseher – teilweise 50 Prozent. Das Halbzeitprogramm – mit Coldplay, Beyoncé und Bruno Mars ein kleines Pop-Woodstock mit Feuerwerk. Der Krankenstand am Morgen danach – landesweit höher als an jedem anderen Tag im Jahr.
Superbowl, das ist ein von gut einer Milliarde Menschen weltweit herzlich willkommenes All-inclusive-Entertainment-Paket. Auch der kleinen Häppchen wegen zwischendurch. Marken von Rang gehen mit aufsehenerregenden Werbebotschaften an den Start. Als VW einmal einen kleinen Jungen als Darth Vader aufbot, klickten später 60 Millionen das Filmchen auf YouTube an. Was am Sonntag zu erwarten ist, lässt sich unter www.superbowlcommercials2016.org bereits besichtigen. Persönliche Empfehlung: Helen Mirren als Verkehrswächterin mit Budweiser.
Besonders beliebt sind Superbowl-Skandälchen. 2011 war es Christina Aguilera, die beim traditionellen Patrioteln vor dem ersten Spielzug „The Star-Spangled Banner“ textlich so verhunzte, dass nicht nur konservative Tugendwächter aufjaulten. Übertroffen nur noch von „Nipplegate“ in Houston. 2004 legte der Popsänger Justin Timberlake live die rechte Brust seiner Kollegin Janet Jackson frei. Versehen, hieß es später. Und Materialfehler.
Für die Sicherheitsorgane bedeutet Superbowl-Sunday 2016 Alarmstufe Tiefrot. Nach den Terrorattacken von Paris und zuletzt San Bernardino haben FBI, NSA & Co. ihre Vorkehrungen verschärft. Über der Spielstätte herrscht (abgesehen von den Airforce-Jets, die kurz vor Beginn übers Stadion donnern werden) Flugverbot. Aus Sorge vor Anschlägen, wie sie Krimiautor Thomas Harris bereits 1975 in seinem Roman „Schwarzer Sonntag“ beschrieb. Darin ging es um den Plan einer arabischen Terrorgruppe, über dem Stadion in Miami während des Superbowls eine Splitterbombe zu zünden.
Die dicht besiedelte Bay Area wird diesmal von Staats wegen noch engmaschiger belauscht und observiert als sonst. Tausende Polizisten in Uniform und in Zivil halten Ausschau nach „lone wolves“, Einzeltätern, die das Großereignis als Bühne nutzen könnten. Auch die Energieversorger haben Krisenstäbe eingerichtet. In der Halbzeitpause – mit 30 Minuten doppelt so lang wie in regulären Spielen – bricht regelmäßig in amerikanischen Städten die Wasserversorgung zusammen, weil viele Fans zur selben Zeit aufs Klo müssen.
Der 50. Super Bowl - in 11 Zahlen
Zum 50. Mal findet in der Nacht zu Montag (0.30 Uhr MESZ) der Super Bowl statt. Das Finale der American-Football-Profiliga NFL ist in den USA jedes Jahr ein sportliches Großereignis und auch für die Unterhaltungsindustrie ein milliardenschweres Spektakel. In diesem Jahr kämpfen die Carolina Panthers und die Denver Broncos im kalifornischen Santa Clara um die Trophäe, in der Halbzeit treten Coldplay und Beyoncé auf.
Elf Zahlen zum 50. Super Bowl
1.300.000.000: Zahl der Hühnchenflügel, die in den USA während des Spiels verspeist werden. Außerdem unter anderem 45 Millionen Kilogramm Avocado und fünf Millionen Kilogramm Kartoffelchips.
161.300.000: Zahl der Fernsehzuschauer in den USA beim Super Bowl 2015.
5.000.000: Durchschnittlicher Preis in Dollar für einen 30-sekündigen Werbespot während des Spiels, alle Sendeplätze sind bereits seit langem ausverkauft.
68.500: Zahl der Sitze im Levi's-Stadion in Santa Clara. An Tickets zu kommen ist aber extrem schwierig. Nur rund 7000 kommen in den freiem Verkauf, auf dem Schwarzmarkt werden sie für mehr als 5000 Dollar (etwa 4600 Euro) gehandelt.
184:1: Die Wettquote vor Beginn der NFL-Saison auf eine Super Bowl-Finalbegegnung der Panthers und der Broncos.
70: Zahl der Kameras, die das Geschehen aufzeichnen.
56: Höhe in Zentimetern der Vince Lombardi-Trophäe, die das Siegerteam in die Höhe stemmen darf. Der Pokal in Form eines silbernen Footballs wird jedes Jahr in tagelanger Handarbeit neu hergestellt und wiegt 3,2 Kilogramm.
50: Zum Jubiläum bricht die NFL zum ersten Mal mit ihrer Tradition der römischen Zahlen. 2015 hatte das Ereignis noch „Super Bowl XLIX“ geheißen, in diesem Jahr soll es aber nicht der „Super Bowl L“, sondern der „Super Bowl 50“ sein.
39: Alter von Broncos-Quarterback Peyton Manning - er ist damit der älteste Quarterback jemals in einem Super Bowl-Finale.
6: Anzahl der Super Bowl-Siege der Pittsburgh Steelers - Rekord.
5: Anzahl der Super Bowl-Siege des früheren Linebackers Charles Haley - ebenfalls Rekord. Haley sammelte die Titel mit den San Francisco 49ers und den Dallas Cowboys.