Melbourne. Die Kielerin kann als erste Deutsche seit Steffi Graf 1994 die Australian Open gewinnen. Im Finale muss sie jedoch die Weltranglistenerste Serena Williams stoppen
Nachdem sich ihr Traum vom ersten Einzug in ein Grand-Slam-Finale erfüllt hatte, hatte Angelique Kerber nur noch einen Wunsch. „Steffi, bitte schreibe mir“, sagte die Kielerin nach ihrem Halbfinalsieg bei den Australian Open gegen Johanna Konta aus Großbritannien. Und auch dieser Wunsch ging für die deutsche Nummer eins im Damentennis in Erfüllung. In der Pressekonferenz nach dem nicht schönen, aber wertvollen 7:5, 6:2 gegen Konta präsentierte Kerber stolz die Glückwünsche ihres Idols.
„Ich gratuliere. Ich freue mich riesig. Liebe Grüße aus Las Vegas“, schrieb Grand-Slam-Rekordsiegerin Steffi Graf (22 Titel) der ersten deutschen Melbourne-Finalistin seit 20 Jahren (Anke Huber 1996). Für Kerber war es ein langer Weg in ihr erstes Endspiel bei einem der vier wichtigsten Turniere. Doch dass ihr Höhenflug jetzt einsetzt, kommt für die 28-Jährige nicht völlig überraschend. „Ich bin seit vier Jahren in den Top Ten, jetzt wird es mal Zeit“, sagte Kerber. Nachdem sie mit dem Vorrundenaus bei den WTA-Finals in Singapur das erfolgreiche Jahr 2015 mit einer großen Enttäuschung abgeschlossen hatte, ging Kerber in der kurzen Pause auf den Malediven hart mit sich ins Gericht.
Bundestrainerin Rittner ist stolz auf den Erfolg ihrer Nummer eins
„Sie hat sich nach der letzten Saison gnadenlos selbst reflektiert und bekommt jetzt endlich das Ansehen, das sie längst verdient hat“, sagte Bundestrainer Barbara Rittner, die „einfach nur stolz“ auf den Erfolg ihrer Nummer eins ist. Als Kerber wieder ins Training einstieg, ging es vor allem darum, die Athletik zu verbessern und an der Aggressivität im Spiel zu arbeiten. Mit einer Ernährungsumstellung – mehr Eiweiß, weniger Kohlenhydrate und Zucker – verlor sie einige Kilogramm Körpergewicht. Auch an ihrem Aufschlag feilte die gebürtige Bremerin, was sich allerdings im Verlauf der ersten Saisonwochen noch nicht grundlegend bemerkbar machte.
Zudem formulierte sie für sich ungewohnt forsche Ziele. Der Fokus solle nun auf den großen Turnieren liegen, sie wolle es bei den Grand Slams krachen lassen. „Vier Jahre in den Top Ten sind schön, aber jetzt muss auch noch mal was anderes kommen. Das habe ich ganz offen angesprochen, und jetzt bin ich hier im Finale“, sagte Kerber, „mit Ansage“. Im Endspiel am Sonnabend (9.30 Uhr/Eurosport) trifft sie nun auf die scheinbar übermächtige Serena Williams, die der Polin Agnieszka Radwanska im ersten Halbfinale beim 6:0, 6:4 nicht den Hauch einer Chance ließ. „Wenn sie so spielt wie heute, gibt es derzeit glaube ich keine, die sie schlagen kann“, sagte Radwanska über die US-Amerikanerin.
Kerber will es trotzdem probieren. „Ich werde versuchen, Serena zu zeigen: Hier bin ich, und ich will das Ding auch gewinnen“, sagte die vor Selbstvertrauen strotzende Norddeutsche. „Sie muss fest an sich glauben und darf nicht den Funken eines Zweifels daran haben, dass sie gewinnt“, sagte der frühere Wimbledonsieger Michael Stich, Turnierdirektor am Hamburger Rothenbaum.
Das Duell mit Williams, gegen die sie in sechs Aufeinandertreffen nur einmal siegte (2012 in Cincinnati), will Kerber vor allem genießen. „Ich habe nichts zu verlieren“, sagte Kerber, „Serena dagegen schon.“ Während man Kerber, die nach den Australian Open auf jeden Fall erstmals in ihrer Karriere die Nummer vier der Welt sein wird, gegen Konta den Druck und die Angst vor der Niederlage gegen die Außenseiterin deutlich anmerkte, kann sie gegen Williams befreit aufspielen. „Vom Einmarsch über das Spiel bis hin zur anschließenden Zeremonie will ich einfach meinen Spaß haben.“
Und sollte ihr dann sogar der erste deutsche Grand-Slam-Sieg seit Steffi Grafs letztem Triumph bei den French Open 1999 gelingen, wird sie sicher auch wieder nicht lange auf die Glückwünsche von Deutschlands Tennislegende warten müssen. Zumal Kerber verhindern würde, dass Williams den Grand-Slam-Rekord von Graf einstellen würde. Eine Zusatzmotivation für Kerber? „Ja. Ich denke, wir Deutschen müssen zusammenhalten.“
Djokovics Finalgegner wird am Freitag zwischen Murray und Raonic ermittelt
Bei den Herren hat Novak Djokovic mit einer Machtdemonstration seinen 23. Sieg im 45. Duell mit Grand-Slam-Rekordchampion Roger Federer (17 Titel) geschafft und das Finale erreicht. Der serbische Weltranglistenerste setzte sich gegen den Schweizer mit 6:1, 6:2, 3:6, 6:3 durch und zeigte dabei vor allem in den ersten beiden Sätzen Tennis wie von einem anderen Stern. „Ich habe auf einem unglaublichen Niveau gespielt. Aber das musst du auch, wenn du gegen Roger bestehen willst“, sagte Djokovic. „Die ersten beiden Sätze waren die besten, die ich je gegen ihn gespielt habe.“ Der Schützling von Boris Becker trifft im Endspiel am Sonntag auf den Gewinner des zweiten Halbfinales am heutigen Freitag (9.30 Uhr/Eurosport) zwischen dem Briten Andy Murray und Milos Raonic aus Kanada.