London. Weltmeister verteidigt seinen Titel trotz zweier Rechenfehler – starke TV-Quoten
Gary Anderson hatte einige Mühe, die 20 Kilogramm schwere Sid Waddell Trophy als Dart-Weltmeister zu heben. Der 45-Jährige merkte die Strapazen des 17-tägigen Turniers nach seinem 7:5-Finalsieg gegen den Engländer Adrian Lewis auf der Bühne des Alexandra Palace im Westen Londons. „Ich spüre mein Alter“, gestand der von Rückenproblemen geplagte Schotte nach seiner Titelverteidigung.
Das Rekordpreisgeld von umgerechnet mehr als 400.000 Euro dürfte den „Flying Scotsman“ die körperlichen Malaisen vergessen lassen. Ebenso die Gewissheit, nun zu den ganz Großen des vom Kneipensport zum Millionen-Spektakel aufgeblasenen Dart-Spiels zu gehören. „Ich weiß jetzt, wie sich Phil Taylor und Adrian fühlen“, sagte er und erinnerte an den Rekordchampion und seinen Finalgegner Lewis. Der Engländer hatte 2011 gegen Anderson den Titel geholt und ein Jahr später den Coup wiederholt.
Diesmal war es aber Anderson, der bei der fast zweieinhalb Wochen dauernden WM-Party vor einem schrillen Publikum der Mann für die magischen Momente war. Im Halbfinale gegen den Niederländer Jelle Klaasen brachte Anderson die „Ally Pally“ genannte Traditionshalle zum Kochen, als ihm ein perfektes Spiel mit einem „9-Darter“ gelang. Er benötigte nur neun Würfe, um von 501 auf null Punkte zu kommen. Im Endspiel verrechnete er sich zunächst zweimal. Dann entschied er das dritte Leg des zwölften Satzes mit dem Finish von 170 Punkten und raubte Lewis die letzte Sieg-Hoffnung. TV-Sender Sport1 freute sich über Topquoten: In der Spitze 1,97 Millionen Zuschauer verfolgten Sonntagabend das Finale.
Der in der Szene beliebte einstige Kaminbauer kam erst mit Mitte Zwanzig zum Dartsport. Seit seinem Profidebüt 2008 hatte er sein Talent immer wieder angedeutet, ehe ihm 2015 im WM-Finale gegen Phil Taylor der große Coup gelang. Zuvor hatte er noch private Schicksalsschläge zu überstehen: Im Herbst 2011 starb Andersons Bruder an einem Herzinfarkt, kurz darauf sein Vater Gordon. Mit seiner Frau Rachel fand er den Weg aus dem Tief. Nach seinem WM-Titel sucht er nun Ruhe für sich und seine Familie. „Ich packe die Koffer und fahre weg. Ich weiß noch nicht wohin, aber ich bin weg“, sagte er Sport1. Im Urlaub könnte er seinen kleinen Sohn endlich auch überzeugen, Gary-Anderson-Fan zu werden und nicht mehr Anhänger des Weltranglisten-Ersten Michael van Gerwen zu sein. Denn für seinen Sohn sei er „nur ein Dartspieler“.