Paris. Schalkes Youngster Sané soll heute beim Testländerspiel in Frankreich für das DFB-Team debütieren. Dafür gibt es gute Gründe.
Es gibt ein paar Taten seines Vaters, denen Leroy Sané wohl gern nacheifern würde. Souleymane Sané schoss als erster farbiger Spieler von Mitte der 80er bis Mitte der 90er Jahre in mehr als 300 Bundes- und Zweitligapartien für Freiburg, Nürnberg und Wattenscheid 116 Tore. Aber da war ja auch noch diese gebrochene Nase.
Souleymane Sané hatte einst einem Reporter in Nürnberg mit einer Kopfnuss das Gesicht blutig geschlagen. Der hatte das verdient, weil er Sanés Frau in einem Artikel diffamierte. Rassismus im Fußball. Schlimme Zeiten waren das damals. Die haben sich glücklicher Weise geändert. Heute wird Leroy Sané nicht mehr auf seine Hautfarbe angesprochen, manchmal zwar noch auf seinen Vater, aber immer öfter sprechen seine Qualitäten für sich allein.
Auch der 19-Jährige ist ein Angreifer, einer, der Tempo und Technik verbindet, wie es sein alter Herr pflegte. Beim FC Schalke 04 hat er in dieser Saison bereits vier Treffer erzielt und drei vorbereitet. Der Wuschelkopf ist so begabt, dass er aktuell als größtes Offensivtalent des deutschen Fußballs gilt. Bei der abschließenden Pressekonferenz vor dem Länderspiel gegen Frankreich an diesem Freitag in Paris (21 Uhr/ARD) lobte Bundestrainer Joachim Löw: „Leroy hat eine besondere Gabe, eine besondere Raffinesse. Ich denke mal, dass er den Sprung zu uns relativ schnell schaffen kann.“ Aber das allein war nicht der Grund dafür, dass Löw Sané schon jetzt, nach nur 26 Bundesligaeinsätzen insgesamt, erstmals in den Kader berufen hat. Das hat auch mit Souleymane Sané zutun.
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Papa Souleyman hat französischen Pass vererbt
Leroy Sanés Vater kam mit vier Jahren aus dem Senegal nach Toulouse und ist in Frankreich aufgewachsen. Er absolvierte den Militärdienst in der französischen Armee, was ihn auf kuriosen Wegen nach Deutschland führte. Weil das so ist, besitzt Leroy Sané neben dem deutschen auch einen französischen Pass. Und das wiederum drängt Löw zur Eile bei einem so talentierten Spieler: Sané könnte nämlich auch für den heutigen Gegner auflaufen. Und würde Löw noch länger warten, wer weiß, ob die Franzosen nicht noch auf Ideen kämen.
„Ich würde mich freuen, wenn ich ein paar Minuten Spielpraxis sammeln dürfte“, sagte Sané. Das wird sich einrichten lassen, sagen sie beim DFB. Denn nach dem Spiel gegen Frankreich wird Sané zur U21-Nationalelf reisen, für die er ja auch erst kürzlich debütierte. Wenn Löws Team am Dienstag in Hannover auf die Niederlande trifft, wird er mit der U21 in der EM-Qualifikation gegen Österreich in Fürth antreten. Gegen Frankreich kommt er also sehr wahrscheinlich zum Einsatz und wird damit die Nummer 77 der Debütanten unter Löw sein. Dann hat er sich festgespielt, wie man sagt.
Aber da ist dann ja auch noch ein anderer Grund für Sanés raschen Aufstieg ins Team des Weltmeisters: Löws Elf hat bis zur EM in Frankreich in sieben Monaten noch ein paar Angriffsprobleme zu bewältigen. Das legte die holprige EM-Qualifikation offen. Deshalb hat Stoßstürmer Mario Gomez mal wieder eine Einladung bekommen. Auch deshalb ist Sané jetzt dabei: „Auf einigen Positionen werden wir etwas ausprobieren“, kündigte Löw an.
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Sanés Position gibt es beim DFB gar nicht
Nach dem Spiel gegen Frankreich bleiben dem Bundestrainer nur drei Testspiele bis zur Turniervorbereitung: gegen die Niederlande am Dienstag sowie im März gegen England und Italien. „Vorne haben wir Spieler mit unterschiedlichen Qualitäten“, sagte Löw. Auf Schalke kam Sané zumeist als Außenstürmer zum Einsatz. Im Revierderby gegen Dortmund begann er allerdings als zweite Spitze neben Klaas-Jan Huntelaar – eine Position, die es unter Löw in der Nationalelf nicht gibt.
Aber Sané ist vielseitig. „Er hat ein wahnsinnig gutes Gefühl für den Raum und zeigt gute Laufwege“, sagte Löw. Und das, was seinem Team zuletzt ziemlich abging, die Treffsicherheit, die habe Sané eben auch im Repertoire: „Er hat eine gute Abschlussqualität und mich wirklich überzeugt“, schwärmte der 55-Jährige, der von 1985 bis ‘88 in Freiburg mit Vater Sané spielte.
Mit dem Spiel gegen Frankreich begutachtet die deutsche Nationalelf schon mal den Ort, an dem in 240 Tagen im EM-Finale stehen wird: das Stade de France in Paris. Aber Löw will auch sein Personal noch einmal unter die Lupe nehmen. „Probieren, sehen, Erkenntnisse sammeln, daraus lernen und dann zur EM“, beschrieb er die Agenda. Mit der Partie gegen den EM-Ausrichter beginnt eine kleine Casting- Show – und Sané darf sich zeigen.
Die bisher letzte Begegnung mit den Franzosen war ja eine nette: Im WM-Viertelfinale 2014 gewann das DFB-Team 1:0. „Frankreich ist jetzt besser als bei der WM“, sagte Löw. Er habe kaum ein Team gesehen, dass so zielstrebig agiert. Sein eigenes jedenfalls nicht. „Sie haben mich beeindruckt“, sagte Löw. So viel Lob bekam am Donnerstag sonst nur einer: Sané.