Austin. Der Brite Lewis Hamilton kann bereits an diesem Sonntag beim Rennen in Austin zum dritten Mal Formel-1-Weltmeister werden. Ein Superstar, der sein glanzvolles Leben genießt
Der Blick geht nach unten. Zum Handy. Lewis Hamilton liest, und er schreibt. Die schwere Goldkette um seinen Hals glitzert. Die Brillanten links und rechts im Ohr blinken im Licht. Wenn er nicht mit seinem Smartphone beschäftigt ist, redet Hamilton über die Formel 1, über seine Liebe für die USA, fürs Reisen und für die Musik. Oder darüber, wie er beim Kartfahren vor dem Großen Preis der USA von einem dunkelhäutigen Buben passiert wurde. „Es war, als hätte ich mich selbst überholt“, erzählt Hamilton und hat die Lacher auf seiner Seite.
Vor dem möglicherweise entscheidenden Rennen zu seinem dritten WM-Titel am Sonntag (20 Uhr/RTL und Sky) wirkt der Brite entspannt bis gelangweilt. Den Raum zur Pressekonferenz auf dem Circuit of the Americas betritt er mit Sonnenbrille. Draußen hängen graue Wolken über der Strecke, von Sonne ist keine Spur zu sehen. Kurz bevor es losgeht, zieht Hamilton die getönten Gläser ab.
Hamilton lebt, was er mittlerweile ist: sportlich seit fast zwei Jahren das Maß der Dinge. 20 der vergangenen 34 Rennen entschied er für sich, wurde Weltmeister 2014. Zum zweiten Mal nach 2008, damals im McLaren. 2015 ist es nur noch eine Frage der Zeit, schon nach diesem Wochenende kann es soweit sein. Die Krönung des Superstars, des Sohnes eines Einwanderers aus der Karibik, der zeitweilig mehrere Jobs hatte, um dem Filius die kostspielige Leidenschaft zu ermöglichen. So brachte es Hamilton zum ersten dunkelhäutigen Piloten in der Formel 1.
Aber wer ist dieser Mann? Geboren am 7. Januar 1985 in Stevenage. Seit 2007 in der Formel 1. Lange schien es, als sei er nach dem im letzten Rennen erst verpassten Titel im Premierenjahr vor allem auf der Suche nach sich selbst. Bei McLaren ließ man ihn nicht der sein, der er sein wollte – falls er das damals schon so genau wusste.
Seit er bei Mercedes 2013 als Nachfolger von Michael Schumacher engagiert wurde, dreht der Hobbymusiker Hamilton voll auf. Er genießt seine Karriere, er genießt sein Leben. Er steht auf Tattoos, und davon hat er reichlich. Er steht auf Schuhe, und auch davon hat er reichlich. Er treibt sich gern auf Modeschauen in New York oder Paris rum. Er ist auf Du und Du mit Hollywoodstars. Er feiert halbnackt und turtelt danach weiter mit Musikerin Rihanna auf Barbados. Und die Haare wurden auch schon blond.
Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff bezeichnete Hamilton schon als „Rockstar“. Daimler-Boss Dieter Zetsche meinte einmal, Hamilton sei „mit Abstand der bekannteste Fahrer. Das kann uns auch nicht schaden, im Gegenteil“. Was sich Mercedes die Dienste des Top-Werbeträgers mit globalem Erkennungswert kosten lässt, kann nur spekuliert werden.
In diesem Jahr verlängerte Hamilton für weitere drei Jahre bis Ende 2018. Den Vertrag handelte er selbst aus. „Lewis wollte und musste alles hinterfragen“, erzählte Niki Lauda. Der Österreicher ist Aufsichtsratschef bei Hamiltons Team. Schon am Sonntag könnte Hamilton mit Lauda gleichziehen, was die Anzahl der WM-Titel betrifft. Hamilton wäre der zehnte Pilot in der Geschichte der Formel 1 mit mindestens drei Titeln.
Die Rekordlisten hat Hamilton aber gar nicht im Sinn, auch nicht die mit den meisten Siegen, angeführt durch Michael Schumacher: „Diese 91 unglaublichen Erfolge überlasse ich Schumi gerne.“ Schumacher war Hamiltons Vorgänger bei Mercedes. Schumacher schützte stets sein Privatleben, er suchte nie die Öffentlichkeit. Hamilton teilt sich immer mit.
163 Grands Prix hat er absolviert, 42 davon gewonnen. Er schickt sich nun an, der erfolgreichste Pilot des motorsportverrückten Großbritannien zu werden. Na und? „Ich freue mich auf das Wochenende, ich habe das Rennfahren in den vergangenen beiden Wochen vermisst“, sagte Hamilton noch in der Pressekonferenz, ehe der Blick wieder zum Handy ging.