Hamburg. Um die Durchlässigkeit vom Nachwuchs zu den Profis zu verbessern, hat Sportdirektor Bernhard Peters beim HSV neue Leitideen entwickelt. Bis die ersten Ergebnisse zu sehen sind, könnten aber noch mehrere Jahre vergehen
Die Gesichtszüge von Bernhard Peters verformen sich zu einem zufriedenen Grinsen, als sich Izzet Isler und Philipp Müller um den Ball streiten. Fast eine Minute lang dauert der Zweikampf der Talente. Peters, Sportdirektor des HSV und verantwortlich für die Zusammenführung von Nachwuchs und Profis, beobachtet jede Bewegung der beiden Spieler. Je länger das Duell dauert, desto zufriedener wirkt er. Peters gefällt, was er sieht. „Die Jungs müssen die Mentalität des Durchsetzens, die Überzeugung und den Siegeswillen entwickeln“, sagt er.
Auf dem Übungsplatz der Profis am Volksparkstadion läuft gerade das Perspektivkadertraining. Alle zwei Wochen treffen sich die größten Talente von der U17 bis zur U23 des HSV, um zusätzlich zu den Einheiten in ihren Mannschaften gezielt gefördert zu werden. Das Programm leitet Bernhard Trares gemeinsam mit wechselnden Trainern aus dem Nachwuchsleistungszentrum. Trares, neben Eddy Sözer zweiter Assistent von Bruno Labbadia und sogenannter Übergangstrainer, soll die Toptalente des HSV noch näher an die Profimannschaft heranführen. „Die Durchlässigkeit ist uns wahnsinnig wichtig“, sagt Trares, der zur neuen Saison in den Trainerstab von Labbadia gerückt ist.
Das Perspektivkadertraining ist eine der Ideen, die Bernhard Peters beim HSV eingeführt hat, seit er im vergangenen Jahr die Verantwortung für den Nachwuchsbereich übernahm. Dass sich der 15-jährige Izzet Isler im Training mit dem 20-jährigen Philipp Müller misst, gehört zu den zentralen Bausteinen der neuen Talenteförderung beim HSV. „Dieses Training ist ein Symbol. Die Spieler sollen merken, dass sie zum einen nah am Kessel dran sind, andererseits merken, was ihnen dazu noch fehlt“, sagt Peters und zeigt auf das Volksparkstadion, den Kessel.
Die Jugendarbeit, darin sind sich Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer und Sportdirektor Bernhard Peters einig, hat der HSV in den vergangenen Jahren verschlafen. Während andere Vereine wie der VfL Wolfsburg oder 1899 Hoffenheim in ihre Nachwuchsleistungszentren investierten, setzte der HSV auf einen Sparkurs und fiel auch in der Jugend durch ein sich ständig drehendes Personalkarussell auf. Und so musste Beiersdorfer bei seinem Amtsantritt im Juli 2014 erkennen: „Wir waren in allen sportlichen Bereichen des Nachwuchses nicht wettbewerbsfähig.“ In Zahlen lässt sich diese Aussage wie folgt verdeutlichen: Hatte der HSV 2009 noch 25 Jugendnationalspieler, sind es jetzt nur noch fünf.
Einer von ihnen ist Nikola Kosanic. Das offensive Mittelfeldtalent spielt für die deutsche U16-Nationalmannschaft und beim HSV in der U17. Vor einem Jahr wechselte er vom FC St. Pauli in das HSV-Internat. Kosanic ist 16 Jahre alt und eines der hoffnungsvollsten Talente des Vereins. An diesem Nachmittag darf auch er am Perspektivtraining unter Bernhard Trares teilnehmen. Der Schwerpunkt der Gruppe liegt auf dem Zweikampfverhalten. Gemeinsam mit den Nachwuchstrainern hat Sportdirektor Peters für jeden Spieler ein persönliches Stärken-Schwächen-Profil erstellt. Im Toptalentetraining gilt es insbesondere an den Schwächen zu arbeiten. „Es geht immer um Individualisierung, darum, mit jedem Spieler differenziert vorzugehen“, sagt Peters.
Die zusätzliche Förderung soll gleichzeitig eine Belohnung sein. „Wer besondere Leistungen zeigt, bekommt die Chance, sich zu präsentieren“, sagt Übergangstrainer Trares, der in Absprache mit Bruno Labbadia die Talente wiederum zum Profitraining einlädt. U23-Stürmer Philipp Müller durfte sich bereits mehrfach in der ersten Mannschaft für höhere Aufgaben empfehlen, kam auch schon bei Testspielen zum Einsatz. Doch der entscheidende Schritt ist dem 20-Jährigen bislang nicht gelungen. „Philipp hat gute Anlagen und alle Chancen, zu den Profis hinzuzustoßen“, sagt Trares. „Er muss aber an seinem Siegeswillen arbeiten. Das ist das Entscheidende. Es liegt an ihm, wohin der Weg geht.“
Wenn Trares spricht, hört man bereits den Einfluss von Peters. Der Sportdirektor will nicht nur den Talenten eine neue Mentalität einimpfen, sondern auch den Trainern. Das Coachen der Übungsleiter ist Peters besonders wichtig. Hinzu kommt der Ausbau des Regionalscoutings. Im norddeutschen Raum will der HSV alle großen Talente künftig frühzeitig kennen und spätestens in der U11 fest an sich binden. Eigene E- oder F-Jugendmannschaften gibt es nicht mehr, dafür werden Kooperationen mit anderen Vereinen aufgebaut und die Talente im sogenannten Kinderperspektivtraining von klein auf entwickelt. Auch dieses Projekt hat Peters angeschoben.
Nun gilt es für den Sportdirektor, auch endlich Kontinuität auf den Trainerposten der Nachwuchsteams zu finden. In seinem erstren Jahr fiel Peters vor allem dadurch auf, dass er in nahezu allen U-Mannschaften das Trainerpersonal austauschte. Und aktuell üben sowohl U23-Coach Soner Uysal als auch der neue U16-Trainer Achim Feifel, Nachfolger von Rodolfo Cardoso, ihre Funktionen „bis auf Weiteres“ aus.
Dietmar Beiersdorfer vertraut der Arbeit von Peters in jedem Fall. Bis die Arbeit Früchte trage, sagt der HSV-Chef, könnten noch Jahre vergehen. „Wenn man jetzt nichts ansät, muss man sich nicht wundern, wenn man in drei Jahren nicht drei U17-Nationalspieler hat.“ Immerhin: Mit Mats Köhlert, der am Sonntagabend mit der deutschen U17 sein erstes WM-Spiel bestritt (bei Redaktionsschluss nicht beendet), ist der erste schon gefunden.