Elf Monate nach seinem Kreuzbandriss im Knies sei er noch nicht wieder fit genug, erklärte der dreimalige Weltmeister aus Berlin.
Fünf Jahre lang hat Robert Harting in der Leichtathletik alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Beim Wettlauf gegen die Zeit musste sich der Diskus-Olympiasieger am Dienstag aber geschlagen geben. Aufgrund der Spätfolgen einer schweren Knieverletzung im vergangenen September sagte der 30-Jährige seine Teilnahme an den Weltmeisterschaften in zwei Wochen in Peking ab. „Am Ende fehlten dazu vier, fünf Wochen“, sagte sein Trainer Torsten Schmidt. Harting hat einfach noch nicht wieder das Leistungsniveau erreicht, um zum vierten Mal in Serie den WM-Titel holen zu können. Ab sofort ordnet er alles seinem großen Ziel Olympia-Gold 2016 in Rio unter.
„Es ist leider absolut nicht möglich“, sagte Harting über seine WM-Absage. „Ich müsste da ein Risiko eingehen, dass ich nicht eingehen kann. Wenn ich mir nochmal das Kreuzband reiße, könnte ich 2016 in Rio nicht starten. So ist diese Entscheidung eine Mischung aus Risiko, Bauchgefühl und Leistungseinschätzung.“
Zur Verkündung dieser Entscheidung hatte Harting eigens zu einer Pressekonferenz im Bundesleistungszentrum in Kienbaum eingeladen. Die Cafeteria dieses riesigen Areals vor den Toren Berlins war bis auf den letzten Platz gefüllt mit Journalisten, denn Deutschlands „Sportler des Jahres“ ist ja aktuell nicht nur der bekannteste und erfolgreichste Leichtathlet des Landes, sondern auch besonders meinungsstark als Anti-Doping-Kämpfer unterwegs. Am Sonntagabend hatten er und andere Athleten mit einem YouTube-Video gegen den Weltverband protestiert, am Dienstag teilte er wieder gegen die IAAF und diesmal auch gegen den deutschen Leichtathletik-Verband aus.
„Es gibt eine riesige Lücke zwischen Funktionären und den schweißtreibenden Athleten“, meinte Harting. Es habe ihn auch „furchtbar erschüttert“, wie DLV-Präsident Clemens Prokop in der aktuellen Doping-Diskussion „rhetorisch untergegangen ist. Vielleicht liegt es an seiner Kandidatur für das IAAF-Council. Aber ein Präsident muss für seine Sportler da sein“. Mit der Leichtathletik dürfe „nicht das passieren, was mit dem Radsport passiert ist. Es muss das Ziel sein, das Vertrauen in unseren Sport zurückzugewinnen.“
Immerhin habe es auf seinen Protest viele positive Reaktionen anderer Athleten gegeben. „Durch die Video-Aktion bzw. unseren Hashtag ist endlich Bewegung in die Sache gekommen. Jeder kann sich jetzt dazu äußern“, sagte Harting.
Spätestens im kommenden Jahr will er auch sportlich wieder mittendrin sein zwischen den anderen Athleten. Olympia-Gold 2016 in Rio de Janeiro ist Hartings großes Ziel. „Absolut“, sagte er. „Ich habe in diesem Jahr sehr viel gelernt. Man nimmt einfach sehr viel Körpererfahrung mit. Ich bin felsenfest davon überzeugt, im nächsten Jahr wieder im Bereich von 78 oder 79 Metern werfen zu können.“
Auch in dieser Saison habe er noch lange mit der WM-Teilnahme „geliebäugelt. Das Niveau ist international im Moment nicht besonders hoch. Deshalb war immer die Versuchung da, deshalb hat die Entscheidung auch sehr lange gedauert“. Am Ende, sagte sein Trainer, „fehlten leider ein paar Prozent, um die erhebliche Leistung, die ein Körper bei einer WM zu vollbringen hat, auch umsetzen zu können“.
Für das ISTAF im September in Berlin soll es reichen, für ein, zwei weitere Wettkämpfe auch. Vielleicht bleibt der WM-Titel sogar in der Familie, denn Hartings Bruder Christoph fliegt als Dritter der Weltjahresbestenliste nach Peking. „Ich bewundere Christoph immer wieder im Training. Er hat richtig was drauf“, sagte Harting. „Aber für den WM-Titel ist er noch zu jung und zu unerfahren.“