Olmütz/Prag. DFB startet Aufarbeitung der historischen Pleite gegen Portugal. Can übt nach 0:5 heftige Selbstkritik. Rätsel um Ginter-Aussagen.
Der Titeltraum ist zerplatz - und zwar jäh: Das 0:5 im Halbfinale der EM gegen Portugal in Olmütz am Sonnabend ist die höchste Niederlage einer U21 des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) überhaupt. Abendblatt.de hält Sie über die U21 auf dem Laufenden.
Hrubesch liebäugelt mit Rückzug
12.19 Uhr: Horst Hrubesch schließt seinen Rückzug als U21-Trainer nach dem olympischen Fußball-Turnier 2016 in Rio de Janeiro weiter nicht aus. „Ich habe für mich beschlossen, dass ich nach Olympia gucke, was ist. Ich denke, es wäre ganz gut, wenn da jemand vom Alter her näher dran ist. Ich spreche zwar die Sprache der Spieler. Aber ein Jüngerer spricht sie noch besser“, sagte der 64-Jährige heute Morgen.
Dass ein Rückzug im kommenden Jahr mitten im Zyklus der Qualifikation für die U21-EM 2017 in Polen liegt, betrachtet Hrubesch nicht als Hinderungsgrund. „Das ist kein Problem. Es gibt eine lange Winterpause, in der man sich einarbeiten kann“, sagte der ehemalige Profi.
Rätsel über offene Kritik von Ginter
11.24 Uhr: Aufzuarbeiten gibt es nach der bitteren Lehrstunde im EM-Halbfinale genug. Von einer "Frechheit" sprach Emre Can, Kevin Volland von "Arbeitsverweigerung" und DFB-Präsident Wolfgang Niersbach gar von einer "Vorführung". Für die größte Aufregung sorgte aber Weltmeister Matthias Ginter, der nach der Pleite offen seine Mitspieler kritisierte.
"Einige müssen sich fragen, ob sie in der Vorbereitung alles so professionell gemacht haben, wie man es vor einem Halbfinale machen sollte", sagte Ginter. Ein Satz, der beileibe nicht zufällig fiel, der BVB-Profi wiederholte ihn immer wieder. Erst später relativierte er ein wenig: "Ich bin der Letzte, der einzelne Spieler attackiert."
Und doch wurde gerätselt, wen und was Ginter genau meinte. "Wir haben nach dem Gruppenspiel gegen Tschechien Bilder vom Pizza-Essen gepostet. Aber ich glaube, man kann sich mal was gönnen, wenn man zwei Wochen nur Nudeln isst", sagte Emre Can und tappte im Dunkeln. Hrubesch betonte, Ginters Äußerung sei einzig der Enttäuschung geschuldet. "Es ist absolut nichts vorgefallen. Ich wäre der erste gewesen, der das erfahren hätte", sagte der Trainer.
Hrubesch sieht ein Kopfproblem
10.47 Uhr: DFB-Trainer Horst Hrubesch weist Spekulationen um eine unprofessionelle Vorbereitung zurück. „Da ist nichts vorgefallen. Ich kann denen nichts vorwerfen. Wenn da irgendwas gewesen wäre, dann wäre ich der Erste gewesen, der es gewusst hätte“, sagte Hrubesch am Sonntag in Prag.
Körperlich habe die DFB-Auswahl keine Schwächen gehabt. Sein Team habe es aber möglicherweise „vom Kopf her nicht so geregelt gekriegt“, sagte Hrubesch. Vor einer klaren Analyse des Scheiterns werde man „nicht weglaufen“. Mit dem Halbfinal-Einzug hatte sich das Team das Olympia-Ticket gesichert.
Höchste U21-Niederlage überhaupt
10.39 Uhr: Die zuvor höchste Niederlage einer deutschen U21 war das 1:5 in Bosnien-Herzegowina am 10. Oktober 2002. Damals erzielte der ehemalige Bundesligaprofi Jermaine Jones sogar noch die Führung (9. Minute) für die Mannschaft von DFB-Trainer Jürgen Kohler. In der 26. Minute sah Jones dann die Gelb-Rote Karte, später auch noch Benjamin Lauth (50.). In der Mannschaft spielte auch der ehemalige Nationalstürmer Kevin Kuranyi.
Die höchte Niederlage bei einer EM-Endrunde kassierte die deutsche Mannschaft am 25. Mai 2006 mit dem 0:3 gegen Frankreich. DFB-Trainer war damals Dieter Eilts, im Team standen unter anderen der diesjährige Bundesliga-Torschützenkönig Alexander Meier und Leverkusens Stürmerstar Stefan Kießling.
Rasanter Zuschauerschwund im TV
10.36 Uhr: Die Halbfinal-Niederlage hat der ARD einen Marktanteil von 20,7 Prozent beschert. Insgesamt sahen 3,56 Millionen Zuschauer das 0:5 (0:3) am frühen Sonnabendabend gegen Portugal.
Beim abschließenden Gruppenspiel am Dienstag gegen Gastgeber Tschechien (1:1) hatten noch 6,64 Millionen Zuschauer eingeschaltet und damit dem ZDF die beste TV-Quote während der EM beschert. Das entsprach einem Marktanteil von 22,5 Prozent.
Can übt heftige Selbstkritik
10.32 Uhr: Mittelfeldspieler Emre Can geht hart mit der eigenen und der Leistung der Mannschaft ins Gericht. „Was wir da abgeliefert haben, war einfach eine Frechheit. Das ist ein trauriger Tag für Deutschland“, sagte der Profi vom FC Liverpool rund zwei Stunden nach Ende des Spiels gegen Portugal.
Deutschlands Team bei der U21-EM
Wie seine Kollegen hatte Can weit unter seinen Möglichkeiten gespielt und begründete dies auch damit, dass er in den vergangenen zwei Wochen ein wenig die Bodenhaftung verloren habe. „Vielleicht habe ich vor dem Spiel gedacht, ich bin der Größte. Ich glaube, ich muss wieder auf den Boden kommen. Ich bin in den letzten zwei Wochen viel gelobt worden“, sagte der 21-Jährige in der Mixed Zone.
Can musste nach dem Spiel eine Urinprobe für den Dopingtest abgeben und den Weg zurück nach Prag ins Mannschaftshotel mit einem anderen Fahrzeug antreten. Das DFB-Team war da bereits mit dem Bus auf dem Weg in die Goldene Stadt. „Der Urlaub wird jetzt sehr, sehr gut tun. Vielleicht dachten wir auch, wir sind als Mannschaft die Besten. Vielleicht haben wir es zu locker genommen“, sagte Can.
Portugal - Deutschland 5:0 (3:0)
Portugal: Jose Sa - Esgaio, Paulo Oliveira, Figueiredo, Guerreiro (64. Cancelo) - Carvalho - Joao Mario, Sergio Oliveira - Bernardo Silva (50. Rafa Silva) - Cavaleiro (46. Horta), Ricardo
Deutschland: ter Stegen - Korb (87. Klaus), Ginter, Heintz, Christian Günter - Geis (46. Meyer) - Younes, Kimmich, Can, Schulz (50. Bittencourt) - Volland
Schiedsrichter: Sidiropoulos (Griechenland)
Zuschauer: 9.876
Tore: 1:0 Silva (25.), 2:0 Ricardo (33.), 3:0 Cavaleiro (45.+1), 4:0 Joao Mario (46.), 5:0 Horta (71.)
Gelbe Karten: Esgaio / Kimmich
Gelb-Rote Karte: Bittencourt (75./wiederholtes Foulspiel)
(HA/sid/dpa)