Berlin. Wer kommt nach Blatter? Rund um das Finale der Champions League wird in Berlin hinter verschlossenen Türen beraten - die Uefa steht unter Druck.
Plötzlich drückt Europa aufs Tempo: Eilig und ohne ein Wort zum erschütternden Skandal verschwand Uefa-Boss Michel Platini zusammen mit DFB-Präsident Wolfgang Niersbach am Freitagmittag ins Berliner Ritz-Carlton. Nach dem schwachen Auftritt der Europäischen Fußball-Union (Uefa) beim „Fifa-Beben“ wollen die Europäer bei der Suche nach ihrem Erben für Noch-Präsident Joseph S. Blatter dieses Mal alles richtig machen - hinter den verschlossenen Türen des Edel-Hotels könnte auch Niersbachs Name fallen.
Der vermeintliche Geheimfavorit, der als einer der wenigen Funktionäre völlig unbelastet in die Gespräche rund um das Champions-League-Finale in der deutschen Hauptstadt geht, hält sich aber bislang deutlich zurück. In einem Punkt sind sich aber alle einig: Blatter muss so schnell wie möglich weg und ein starker Uefa-Kandidat (Niersbach: „Das muss das Ziel sein“) her.
„Normalerweise müsste man sagen, dass es einen sofortigen Rücktritt gibt“, sagte Niersbach im ZDF: „Die Rücktrittsankündigung ist eine Zwischenlösung - für mich ist das keine Lösung.“ Das komplizierte Wahl-Prozedere müsse weitaus schneller über die Bühne gehen. Laut den Statuten ist die Ablösung Blatters in vier Monaten möglich - Stand jetzt soll aber erst zwischen Dezember 2015 und März 2016 gewählt werden.
Wer dann antritt, ist auch einige Tage nach dem völlig überraschenden Schritt des Fifa-Bosses völlig offen. Täglich melden sich neue Interessenten für den Platz auf dem Weltfußball-Thron. Die „Big Player“ Platini (59) und der kuwaitische Scheich Ahmad al Sabah (51) sagten aber eben: Nichts. Deshalb ist Berlin seit Freitag die Zentrale der Blatter-Gegner.
Aus Südkorea flog eigens der Auto-Milliardär Chung Mong-Joon (63) für Gespräche mit der Uefaein. „Ich werde mit dem Uefa-Präsidenten über den Stand der Dinge sprechen - und darüber, was nun zu tun ist“, sagte der frühere Fifa-Vizepräsident vor seiner Abreise aus Seoul: „Wir erleben gerade extrem schwere Zeiten bei der Fifa“
Laut Niersbach wäre Platini beim Kongress in Zürich der „ideale Übergang gewesen, den die Fifa gebraucht hätte“. Die entscheidende Vereinbarung dazu hatte Blatter mit seiner erneuten Kandidatur über den Haufen geworfen.
Mit Europas Segen tauchten statt des Franzosen die Blatter-Herausforderer Michael van Praag (67) und Luis Figo (42), die beide entnervt zurückzogen, sowie der am Ende unterlegene jordanische Prinz Ali bin Al Hussein (39) auf. Keiner war die große Lösung, dennoch ist es möglich, dass alle bei einem Platini-Verzicht noch einmal ihr Glück versuchen.
Der Weltverband, der am Donnerstag durch die Zahlung von fünf Millionen Euro „Schweigegeld“ an den irischen Verband weiter in Bedrängnis geriet, steckt in der tiefsten Krise. Der Job an der Spitze ist undankbar, allein ein neuer Präsident kann die Fifa nicht reformieren. Die 209 Verbände zu einen ist fast unmöglich, offenbar speziell als Europäer.
„Im Rest der Fußballwelt gibt es einen Groll gegen das arrogante angelsächsisch-skandinavische Europa“, sagte der frühere Fifa-Funktionär Jérôme Champagne, der auch erneut versuchen könnte, bei der Wahl anzutreten.
Mit Blick auf eine wichtige Abstimmung aus deutscher Sicht hat Niersbach am Freitag klar Stellung bezogen. Der DFB-Boss schloss Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe der WM 2006 aus. „Wir haben uns absolut nichts vorzuwerfen“, sagte der 64-Jährige.
Seit Mitte der Woche gibt es konkrete Hinweise darauf, dass rund um die Vergaben der Endrunden 1998 und 2010 Bestechungsgelder geflossen sind. Bei den Vergaben nach Russland (2018) und Katar (2022) wird dies seit langer Zeit vermutet.