Niederlande gewinnen mit Damen und Herren die Titel bei der Hallenhockey-WM. Silber und Bronze für Deutschland. Die Damen führten im Finale bis kurz vor Schluss. Im Shootout waren die Nerven nicht stark genug.
Leipzig. Frust und Enttäuschung brachen aus Kristina Hillmann heraus, als im Hintergrund die in Orange gekleideten Damen zu hüpfen und zu singen begannen. Die deutsche Hockeynationalspielerin wandte sich ab, Tränen schossen ihr in die Augen. „Ich kann es einfach nicht mehr verkraften, Zweiter zu werden“, sagte sie noch, ehe auch die Stimme erstickte. Um die Gefühlswelt der 23-Jährigen verstehen zu können, muss man wissen, dass sie mit ihrem Hamburger Club Uhlenhorster HC zuletzt dreimal in Folge das Endspiel um die deutsche Feldmeisterschaft verloren hat. Zweite Plätze und die damit verbundene Enttäuschung sind ihr deshalb vertrauter als manch anderer Auswahlspielerin.
Dennoch ging es nach der bitteren 1:2 (1:1, 1:0)-Niederlage nach Penaltyschießen im Finale der Hallen-WM gegen die Niederlande niemandem im deutschen Lager besser als Hillmann. Die Mannschaft von Bundestrainer Jamilon Mülders hatte sich im Verlauf des Turniers von Spiel zu Spiel gesteigert, und jeder der 5100 Besucher in der ausverkauften Leipziger Arena hatte die Überzeugung spüren können, den Siegeswillen, den das Team ausstrahlte. „Wir alle wollten diesen Titel unbedingt, um das deutsche Damenhockey wieder einen Schritt in die Richtung zu bringen, wo es aus unserer Sicht hingehört“, sagte Kapitänin Katharina Otte, „umso trauriger ist es, dass wir auf so bittere Weise verloren haben.“
Als es ins Penaltyschießen ging, hätten nicht viele auf die als Titelfavorit gestarteten Niederlande gesetzt, zu dominant hatte sich die deutsche Torfrau Yvonne Frank in den 40 Finalminuten zuvor präsentiert. Die 35-Jährige vom UHC, die absolut zu Recht zur besten Torhüterin des WM-Turniers gewählt wurde, hatte nicht nur zwei Siebenmeter und drei Strafecken pariert, sondern mit ihrer Erfahrung eine Ruhe ausgestrahlt, die sich auf die gesamte deutsche Defensive übertrug. Dass die ebenfalls für den UHC spielende Otte zudem als Anführerin auf und neben dem Platz brillierte und dafür genauso zu Recht als beste WM-Spielerin ausgezeichnet wurde, sorgte dafür, dass die Niederlande lediglich zwei Minuten vor Schluss die deutsche Führung durch Ottes Siebenmetertor (8.) ausgleichen konnten. Das indes war ob der spielerischen Überlegenheit verdient.
Deutschland fehlten starke Nerven im Finale
Dass Penaltyschießen durch Glück und starke Nerven entschieden werden, ist keine neue Erkenntnis, und beides fehlte Deutschland. Hillmann, Luisa Steindor (Düsseldorf) und die für RW Köln spielende Hamburgerin Franzisca Hauke scheiterten, und so genügte ein Tor von Laurien Leurink den Niederlanden, um zum zweiten Mal nach 2007 Hallenweltmeister zu werden. Bronze gewann Tschechien mit 2:0 im Penaltyschießen gegen Österreich, das im Halbfinale 0:7 gegen Deutschland verloren hatte. Den Oranje-Doppeltriumph machten die niederländischen Herren perfekt, die im Endspiel Österreich mit dem HTHC-Trio Benjamin Stanzl (wurde zum besten WM-Spieler gewählt), Michael Körper und Xaver Hasun 3:2 besiegen konnten. Mit Hollands Chefcoach Robin Rösch konnte damit immerhin ein Deutscher einen WM-Titel feiern.
Damen-Bundestrainer Mülders hatte als Erster seine Fassung zurückgewonnen, und es gelang dem 38-Jährigen sogar mühelos, die positiven Aspekte der fünf Tage von Leipzig in den Vordergrund zu stellen. „Unser Fokus lag darauf, an der Wettkampfhärte des Teams zu arbeiten und die Spielerinnen charakterlich zu formen. Das ist sehr gut gelungen, wir haben eine tolle Entwicklung genommen“, sagte er. „Im Finale haben wir einen taktischen Fehler gemacht, der zum Ausgleich führte, und unsere Penalties nicht gut genug vorbereitet. Deshalb ist Holland verdient Weltmeister, aber wir müssen uns für Silber nicht schämen.“
Das ist richtig, vor allem in dem Wissen, dass in den Niederlanden, wo Hockey Nationalsport ist, Geld und Zeit in die Entwicklung der Hallenkader investiert wird, in denen ausschließlich Spezialisten der Indoorvariante und keine Feld-Nationalspieler stehen. Beides steht in Deutschland nicht in vergleichbarem Maß zur Verfügung – und ist auch gar nicht gewollt. Da der Weltverband FIH die Austragung weiterer Hallenweltmeisterschaften infrage stellt (Abendblatt berichtete), wird es in der Zukunft eher darum gehen, das Hallenhockey weiter für die technische und taktische Ausbildung zu nutzen.
Dass die Weltspitze bei Damen und Herren tatsächlich enger zusammengerückt und die deutsche Dominanz unterm Hallendach Geschichte ist, hat das Turnier in Leipzig gezeigt. Dennoch hat das umstrittene Spielsystem Hockey 5, das seit der Saison 2013/14 weltweit – nur nicht in der Bundesliga – zur Anwendung kommt, nicht für eine Revolution gesorgt. Weder fielen mehr Tore noch mauerten sich die unterlegenen Teams weniger in der Defensive ein. „Hockey 5 hatte keinen Einfluss auf den Ausgang dieses Turniers“, sagte Herren-Bundestrainer Stefan Kermas. Dennoch wird sich Deutschland Gedanken machen müssen, wie es sich mit des Weltverbands neuestem Lieblingsspielzeug anfreunden kann.
Für Kristina Hillmann war das am Sonntagnachmittag aber alles Nebensache. Zur Trauerbewältigung reist die Hamburgerin mit ihren Feldkader-Kolleginnen am Montagmorgen nach Mannheim. Ein Strafeckenlehrgang steht dort an, die Vorbereitung auf die Qualifikation für Olympia 2016 läuft längst. So ist das im Hockey. Es geht immer weiter, auf dem Weg zur nächsten Chance, mal der Gewinner zu sein.