Borussia Dortmund beendet die Hinrunde der Fußball-Bundesliga mir einer Niederlage in Bremen und auf einem Abstiegsplatz. Trainer Jürgen Klopp schließt Wintereinkäufe nicht aus, seinen Rücktritt dagegen schon.

Bremen. Jürgen Klopp vergrub die Hände tief in den Jackentaschen, sammelte sich kurz und wehrte sich dann vehement gegen jegliche Fluchtgedanken. „Ich stehe voll in der Verantwortung. Ich werde nicht einfach hinwerfen und mir das Ganze aus der Distanz angucken, was die Jungs so treiben“, sagte der Trainer von Borussia Dortmund nach dem 1:2 (0:1) bei Werder Bremen. Mit Mainz hat er vor Jahren die Abstiegsangst durchlebt, mit dem westfälischen Champions-League-Achtelfinalisten hätte wohl auch er eine ähnliche Notlage nicht für möglich gehalten. „Dass wir jetzt dastehen wie die Vollidioten, das geschieht uns recht“, bekannte Klopp.

Doch auch nach einer Bundesliga-Hinrunde voller Tiefschläge gibt sich der angeschlagene Fußballlehrer entschlossen und überzeugt, das Team selbst zur Wende führen zu können. Die Mannschaft stehe hinter ihm, versicherte Klopp. „Daran besteht kein Zweifel.“

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Nach zehn Hinrunden-Niederlagen und einer an Harmlosigkeit kaum zu überbietenden Vorstellung an der Weser sehnt Klopp den Neustart 2015 mit dem gesamten Team herbei. Serienweise verletzte Leistungsträger, formschwache Weltmeister, der Wirbel um Verkehrssünder Marco Reus und die Debatte um taktische Ideenlosigkeit – all das soll nach Weihnachten endlich vergessen sein. Er werde in der dreiwöchigen Vorbereitung hart mit der Mannschaft arbeiten und ein „erbitterter Jäger“ sein, kündigte Klopp an.

„Aktionismus macht keinen Sinn“

Die Verpflichtung neuer Spieler im Januar schloss der 47-Jährige nicht aus, ein Allheilmittel sieht er in Einkäufen aber nicht: „Bei aller Ernsthaftigkeit macht Aktionismus keinen Sinn. Wir leben extrem vom Training. Nun müssen wir die Körper wieder in die richtige Verfassung bringen.“ Der Wille sei seinen Schützlingen nicht abzusprechen, aber besonders der Drei-Tage-Rhythmus durch Bundesliga und Champions League habe ihnen zu schaffen gemacht. „Die Rückrunde wird nicht leichter, aber wir werden vorbereitet sein“, sagte Klopp, den Ende Januar gleich ein schweres Gastspiel bei Bayer Leverkusen erwartet.

Symptomatisch für die BVB-Krise steht Mats Hummels, der sich seit Wochen mit Rückenproblemen plagt und auch deshalb vergeblich nach seiner WM-Form suchte. „Wir haben die schlechteste Vorrunde gespielt, die man sich vorstellen kann, die Besorgnis ist schon seit ein paar Wochen groß“, sagte der Weltmeister. „Wir stehen zu Recht unten drin, haben nun 17 Spiele Zeit, uns da rauszukämpfen“, meinte er.

Gegen Werder agierte Hummels trotz seines Anschlusstores (69. Minute) nach der Führung durch Davie Selke (3.) und Finn Bartels (62.) wieder einmal unglücklich. „Ich denke nicht, dass Leidenschaft oder Einstellung ein Problem sind. Sollten wir alle gesund durch die Vorbereitung gehen, zeigen wir hoffentlich ein anderes Gesicht. Wäre auch interessant, wenn ich einmal schmerzfrei spielen könnte“, meinte der Abwehrchef des mit nur vier Punkten schlechtesten Auswärtsteams der Bundesliga. Die aus der Not umformierte Viererkette wurde ein ums andere Mal von den jungen Bremer Angreifern ausgehebelt.

Neben der schlechten Defensive, die nun 26 Gegentreffer kassierte – vier mehr als in der ganzen Meistersaison 10/11 – ist dem BVB seine offensive Stärke abhanden gekommen. Kläglich anzusehen waren die nur im weitesten Sinn als Torchancen zu bezeichnenden Szenen von Shinji Kagawa. „Wir spüren die Gefahr des Abstiegs und können auswärts einfach nicht gewinnen“, sagte der Japaner.

Da hatte sogar der Gegner Mitleid. „Dortmund hat mehr Angst, mehr Respekt und mehr Druck“, sagte Werders Zlatko Junuzovic, „für sie ist es jetzt brutal“.

Klopp stellt sich Fragen

Wie lautet Ihr Fazit zum Spiel?

Jürgen Klopp: Dieses Spiel kann man getrost als Spiegelbild unserer Vorrunde bezeichnen, frühes Gegentor, dann daraus resultierend kommt eine Hektik ins Spiel. Wir haben es nicht gut gemacht in der ersten Halbzeit. Zweite Halbzeit haben wir es ein bisschen besser gemacht, aber auch nicht wahnsinnig gut. Jegliche Form der Kritik, die jetzt über uns ausgebreitet wird, ist komplett in Ordnung und absolut angemessen. Wir sind sehr unzufrieden mit uns und der Situation. Die einzige gute Nachricht des heutigen Tages ist, 2014 ist vorbei, die Vorrunde ist vorbei.

Nach der zehnten Niederlage wirken Sie nicht besonders deprimiert, sondern kämpferisch. Stimmt das?

Klopp: Falls jemand das Gefühl hat, das wäre die beste Phase meines Lebens, täuscht er sich gewaltig. Wenn ich heute nicht komplett niedergeschlagen bin, liegt es daran, dass wir aus der Katastrophenhinrunde nichts mehr machen konnten. Ob 15 oder 18 Punkte, ich kann nicht so tun, als sei ich überrascht. Wir hätten gern eine bessere Startposition in die Rückrunde, die kann man sich im Leben aber nicht aussuchen. Heute ist ein ganz schwieriger Tag, aber das Ding ist nicht vorbei. Wir haben alle unserem Ruf geschadet, aber das ist unser eigener. Wir haben die beschissenste Vorrunde gespielt.

Die Zahlen der Hinrunde

Aus dem einstigen Titelaspiranten Borussia Dortmund ist binnen weniger Monate ein Abstiegskandidat geworden. Die Zahlen der Hinrunde stimmen bedenklich:

- Erstmals seit 30 Jahren rangiert Borussia Dortmund nach der Hinserie auf einem direkten Abstiegsplatz.

- Der BVB stellt bei nur vier Punkten das schlechteste Auswärtsteam der Liga. Insgesamt gab es sieben Niederlagen – so viele wie in den vorherigen drei kompletten Spielzeiten zusammen.

- Mit nur 15 Punkten spielte Dortmund die schlechteste Hinrunde seit der Saison 1987/88.

- Die Dortmunder gewannen keines der neun Spiele nach einem 0:1-Rückstand (8 Niederlagen, 1 Remis).

- In Kagawa und Gündogan trafen bisher erst zwei Mittelfeldspieler ins Schwarze.

- Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel 1994/95 gab es nach der Hinrunde 63 Vereine mit nur 15 oder weniger Punkten. 31 dieser Clubs stiegen am Saisonende ab.

- Nach der Pause zeigt der Trend nach unten: In der fiktiven Tabelle der ersten Spielhälfte liegt der Revierclub auf Rang sechs. Die Rangliste der zweiten Hälfte weist ihn als Schlusslicht aus.