Bundesausschuss beschließt in Hamburg, den Wimbledonsieger als Kandidaten für Amt im Präsidium zu akzeptieren. Michael Stich könnte am 16. November zum Präsidenten des DTB gewählt werden.

Hamburg. Michael Stich könnte am 16. November auf der Mitgliederversammlung in Berlin als Nachfolger von Karl-Georg Altenburg zum Präsidenten des Deutschen Tennis-Bundes (DTB) gewählt werden. Das ist die überraschende Wendung, auf die sich der Bundesausschuss (BA) am Sonntag auf einer internen Sitzung im Hamburger Verbandszentrum geeinigt hat. Bislang hatte sich das Gremium, dem die Präsidenten der 18 Landesverbände (LV) angehören, die auch den DTB-Vorstand wählen, in zwei Treffen im Juli und im September auf den rheinland-pfälzischen Landesfürsten Ulrich Klaus als einzigen Kandidaten festgelegt.

Die neue Regelung, die nach viereinhalbstündiger Diskussion, unterbrochen nur von einer Mittagspause, in der Kartoffelsuppe gereicht wurde, festgelegt wurde, sieht Folgendes vor: Bis zum 15. November, wenn der BA das nächste Mal zusammenkommt, sollen sich Klaus, Stich und Helmut Schmidbauer, Präsident des mitgliederstärksten bayerischen Verbands, intern besprechen, ob sie sich auf ein gemeinsames Präsidiumsteam einigen können. Ist das nicht der Fall, dann könnte jeder der drei mit einem eigenen Team zur Wahl antreten. Damit stünde dem DTB die Kampfabstimmung ins Haus, die der BA mit der frühen Festlegung auf Klaus unbedingt vermeiden wollte.

Dass die Einstimmigkeit, mit der man Geschlossenheit zu demonstrieren versuchte, am Sonntagnachmittag in Hamburg ihr Ende fand, erklärte BA-Sprecher Robert Hampe mit dem überzeugenden Auftritt Stichs. Der Wimbledonsieger von 1991, dessen sportliche Qualifikation für das Amt nie infrage stand und der sich als Turnierdirektor am Hamburger Rothenbaum auch als Geschäftsmann profiliert hat, durfte sein Konzept vor dem Beginn der Sitzung vorstellen. Um seinen Auftritt hatte es in den vergangenen Tagen großen Wirbel gegeben, da sich einige BA-Mitglieder weigerten, dem Vortrag des DTB-Ehrenmitglieds zu lauschen.

Stich, der in Teilen der Tennisszene als stur und unbequem gilt, hatte im Juli vor der Findungskommission des BA mit seiner Bereitschaft zur Kandidatur Bedingungen verknüpft, die viele LV-Präsidenten für unerfüllbar hielten. Deshalb war eine weitere Anhörung des 46-Jährigen vor dem gesamten Gremium, um die dieser seit Monaten ersucht hatte, lange Zeit abgelehnt worden. Am Sonntag waren immerhin 13 der 18 LV-Chefs anwesend. Drei fehlten entschuldigt, zwei – pikanterweise Klaus und der hessische Vorstand Dirk Hordorff – blieben aus persönlichen Gründen fern. „Herr Stich hat seine Ideen hervorragend präsentiert. Er hat die meisten von uns beeindruckt und uns damit zum Umdenken veranlasst“, erklärte Hampe. Auch Hamburgs Verbandschef Fritz Frantzioch sagte, er habe Stichs Auftreten als „sehr überzeugend“ empfunden. „Er hat den Eindruck vermittelt, dass er das Amt nicht fürs Ego will, sondern um zum Wohle des deutschen Tennis zu arbeiten“, sagte er. Beide räumten ein, dass dieses Gespräch früher hätte geführt werden sollen.

Stich will alles auf sich zukommen lassen


Allerdings erklärte Hampe, dass sich neben Stichs Bereitschaft zu Kompromissen – er habe versichert, auch als Vizepräsident zur Verfügung zu stehen und nicht auf seinen Rothenbaum-Geschäftspartner Detlef Hammer als neuen DTB-Geschäftsführer zu bestehen, zudem werde man auch beim strittigen Punkt „bezahlter Vorstand“ eine Lösung finden – eine weitere Wendung ergeben habe. So lehnte die Mehrheit des BA die Satzungsänderung ab, die notwendig gewesen wäre, um Klaus’ Präsidiumsteam ins Amt zu hieven. Der Paragraf 31, der besagt, dass LV-Präsidenten nicht gleichzeitig im DTB-Vorstand tätig sein dürfen, soll in seiner jetzigen Form bestehen bleiben. Klaus wollte Karl-Heinz Kutz (Mecklenburg-Vorpommern), Hans-Wolfgang Kende (Baden), Hordorff und Schmidbauer ins DTB-Präsidium berufen, einige dieser Herren wollten ihre LV-Ämter aber nicht aufgeben. „Damit hätte das von Herrn Klaus aufgestellte Team nicht gewählt werden können“, sagte Hampe.

Wie auch immer: Die überraschende Wendung dürfte in den kommenden 14 Tagen für hektische Betriebsamkeit innerhalb des DTB sorgen, denn möglicherweise müssen drei Schattenkabinette auf die Beine gestellt werden. „Der BA erwartet am 15. November Klarheit darüber, wer zur Wahl antritt und in welcher Konstellation“, sagte Hampe. Klaus, der ursprünglich von seinen BA-Kollegen mit sanftem Druck von seiner Kandidatur überzeugt werden musste und nach dem nun erfolgten Misstrauensvotum Grund genug gehabt hätte, verstimmt zu sein, habe mit Verständnis reagiert, lobte Hampe. „Er hat alles hingenommen, sich nicht negativ geäußert und war mit allem, was wir beschlossen haben, einverstanden.“

Und Stich? Der gebürtige Elmshorner hielt sich, wie es seine Art ist, mit öffentlichen Kommentaren zurück. „Ich freue mich, dass meine Darstellung positive Resonanz hervorgerufen zu haben scheint. Ich lasse auf mich zukommen, welche Konsequenzen daraus entstehen können“, sagte er. In den kommenden Tagen wird er viele Gespräche führen, das erste an diesem Montagmorgen mit Hampe. Bezweifeln darf man, dass er innerhalb von zwei Wochen ein Präsidiumsteam aufstellen wird, da ein solches aufgrund der Enge der Zeit seinen hohen Ansprüchen kaum genügen würde. Am wahrscheinlichsten scheint, dass er unter Schmidbauer als Vizepräsident Leistungssport/Marketing kandidiert. Aber nicht erst seit der Hamburger Wendung muss man im DTB alles für möglich halten.