Ein Kommentar von Björn Jensen
Es durfte niemanden verwundern, dass Sportfans in Deutschland am Sonnabend wieder einmal über das Schwergewichtsboxen herfielen. Natürlich lag angesichts der hoffnungslosen Unterlegenheit, mit der Alex Leapai von Wladimir Klitschko durch den Ring getrieben wurde, die Frage nah, wie krank die Königsklasse des Berufsboxens ist, dass ein solch limitierter Mann wie der Australier vom Weltverband WBO zum Pflichtherausforderer bestimmt werden konnte.
Klitschko daraus einen Vorwurf zu machen, zielt jedoch im selben Maß ins Leere wie Leapais wilde Schwinger. Der Ukrainer kann sich seine Gegner nicht immer aussuchen, er kann nur beeinflussen, wie er sie bezwingt, und das tat er am Sonnabend mit einer Zielstrebigkeit, die man lange vermisst hatte. Sein Trainer Johnathon Banks hat an dem Strategiewechsel, gegen unterlegene Gegner den K.o. zu erzwingen, sicherlich gehörigen Anteil, vielleicht hat der 38-Jährige aber auch erkannt, dass er im Herbst der Karriere ebendieses Umdenken nötig hat.
Will Klitschko nicht nur als deutsch-ukrainisches Phänomen, sondern als einer der besten Boxer der Geschichte in Erinnerung bleiben, dann muss er nicht nur Gegner von der Klasse Leapais vorzeitig besiegen. Er muss, wie es Banks fordert, seine Kunst in der ganzen Welt aufführen, er muss notfalls auch mal einen Titel niederlegen, wenn ein Pflichtherausforderer sein Fortkommen zu lähmen droht. Natürlich lockt die Aussicht, alle vier wichtigen WM-Titel zu vereinigen. Aber zur Mehrung seines Ruhms braucht Klitschko keine Titel mehr. Er braucht echte Gegner.