Der Kopf in der Ukraine, der Körper im Ring: Vor seiner Pflichtverteidigung beschäftigt Wladimir Klitschko mehr die Krise in seiner Heimat als sein Gegner Alex Leapai.
Düsseldorf. Am Sonnabendabend in Oberhausen wird alles erscheinen wie gewohnt. Box-Weltmeister Wladimir Klitschko wird als turmhoher Favorit gegen Alex Leapai den Ring betreten, und ihn - aller Wahrscheinlichkeit nach - als Champion wieder verlassen. In der Ringecke wird ihm sein großer Bruder Witali gut zureden, etwas abseits Manager Bernd Bönte sich zufrieden die Hände reiben.
Dabei ist seit dem letzten Kampf „einiges passiert“, wie es Wladimir vor seiner Titelverteidigung ausdrückt. Spätestens seit sich Witali der Politik im Krisenherd Ukraine widmet - als Vorkämpfer auf dem Maidan in Kiew oder als Oppositionspolitiker im Präsidentschaftswahlkampf - ist die Lage in der Heimat das beherrschende Thema im Lager der Klitschko-Brüder.
„Mein Kopf ist in der Ukraine, mein Körper im Ring.“ Wie ein Mantra wiederholt Wladimir Klitschko diesen Satz in den Tagen vor seinem 25. WM-Kampf. Täglich steht er in Kontakt mit seinem Bruder, ist somit unmittelbar über die heikle Situation auf der Krim und im Osten der Ukraine informiert. Wladimir Klitschko versteht es als seine Aufgabe, den Menschen zwischen Lwiw und Donezk Mut zu machen. Er sagt: „Alles in der Ukraine wird ein Happy End haben. Die Ukraine wird so bleiben, wie sie ist.“
Klitschko verbindet mit seinem Auftritt in der Arena Oberhausen (Samstag, 22.10 Uhr/RTL) die Hoffnung, etwas in seinem Heimatland bewegen zu können. „Ich zitiere immer wieder gerne Nelson Mandela: Der Sport hat die Kraft, die Welt zum Guten zu verändern“, sagt Klitschko und erzählt von der Fußball-EM 2012: „Damals haben West und Ost in der Ukraine gemeinsam gejubelt. Ich hoffe, auch dieser Kampf kann den Menschen ein Gefühl der Einheit geben.“
Aus diesem Grund sei er nie auf den Gedanken gekommen, seine Titelverteidigung gegen den bislang unbekannten Australier Leapai abzusagen. „Der Kampf ist besonders wichtig“, sagt Klitschko und meint damit nicht die sportliche Herausforderung. Die erscheint dem 38-Jährigen, der von sich sagt, sich „besser als je zuvor“ zu fühlen, selbst kaum der Rede wert. Mehr als pure Gewalt habe Leapai nicht zu bieten, sagt Klitschko und belächelt den „Mike-Tyson-Stil“ des 34-Jährigen.
Die Unterschiede in Technik und Taktik werden den Unterschied ausmachen, so Klitschko - und dafür sorgen, dass er seinen Kampfrekord auf 62 Siege (bei 3 Niederlagen) ausbaut. Das übliche Säbelrasseln fällt dementsprechend klein aus, selbst Leapai spricht respektvoll von einer „großen Chance“.
Für die große Show bei Klitschkos öffentlichem Auftritt in Düsseldorf musste daher ein Nebendarsteller herhalten. Ex-Weltmeister Shannon Briggs, einst von Witali Klitschko übel verprügelt, stürmte den Saal der Pressekonferenz und forderte lautstark einen Kampf. Klitschko ließ die Einlage gelassen über sich ergehen und widmete sich wieder den Sorgen der Menschen in seiner Heimat.