Uli Hoeneß will nicht mehr kämpfen und akzeptiert das Urteil von dreieinhalb Jahren Haft wegen Steuerhinterziehung. Seine Ämter beim FC Bayern legt er nieder, der Verein soll sein Lebenswerk bleiben.

München. Das Ende einer Ära beim FC Bayern: Steuersünder Uli Hoeneß gibt alle Ämter beim Rekordmeister auf und geht ins Gefängnis. Der 62-Jährige erklärte seinen Verzicht auf eine Revision und gleichzeitig „mit sofortiger Wirkung“ seinen Rücktritt als Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender beim FC Bayern. Damit will er dem größten deutschen Sportverein weitere Belastungen ersparen und akzeptiert seine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren.

Der FC Bayern muss auf seinem sportlichen und finanziellen Höhepunkt nun ein Machtvakuum in der Führungsspitze füllen. Die erste Entscheidung wurde nicht einmal drei Stunden nach Hoeneß’ Rücktritt verkündet: Adidas-Chef Herbert Hainer übernimmt den Vorsitz im prominent besetzten Aufsichtsrat der FC Bayern AG.

Nur 20 Stunden nach der Verurteilung wegen Steuerhinterziehung von mindestens 28,5 Millionen Euro reagierte Hoeneß mit der gleichen Konsequenz, mit der er den FC Bayern in vier Jahrzehnten zur Nummer 1 der Welt machte. „Ich möchte damit Schaden vom meinem Verein abwenden. Der FC Bayern München ist mein Lebenswerk und er wird es immer bleiben“, erläuterte Hoeneß in einer persönlichen Erklärung.

Die Entscheidung, auf eine juristische Verlängerung vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe zu verzichten und die Haft demnächst anzutreten, traf er gemeinsam mit seinen engsten Angehörigen. „Nach Gesprächen mit meiner Familie habe ich mich entschlossen, das Urteil des Landgerichts München II in meiner Steuerangelegenheit anzunehmen. Ich habe meine Anwälte beauftragt, nicht dagegen in Revision zu gehen“, erklärte Hoeneß. „Das entspricht meinem Verständnis von Anstand, Haltung und persönlicher Verantwortung. Steuerhinterziehung war der Fehler meines Lebens.“

Öffentlich dürfte das gefallene Vorbild mit diesem umfassenden Schlussstrich Achtung zurückgewinnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte bei einem Termin in München „hohen Respekt“. Hoeneß erspart sich weitere Rücktrittsforderungen aus Politik und Gesellschaft. Zudem schützt er sich, seine Familie und auch seinen Verein. „Ich werde dem FC Bayern dienen, bis ich nicht mehr atmen kann“, hatte er unter Tränen im vergangenen November auf der Jahreshauptversammlung gesagt. Der doppelte Rücktritt war nun ein nahezu unausweichlicher Dienst.

Wann Hoeneß seine Haftstrafe in der Justizanstalt Landsberg am Lech antreten muss, ist offen. Das Oberlandesgericht München wies darauf hin, dass das Urteil weiterhin nicht rechtskräftig sei. Die Münchner Staatsanwaltschaft will zudem erst Anfang kommender Woche entscheiden, ob sie ebenfalls auf eine Revision verzichtet. Die Anklage hatte ein zwei Jahre höheres Strafmaß für Hoeneß gefordert.

„Uli ist der Spiritus Rector des FC Bayern“

Der 62-Jährige wird – nicht nur für viele Fans – auch ohne Ämter eine Ikone des FC Bayern bleiben. „Ich werde diesem großartigen Verein und seinen Menschen auf andere Weise verbunden bleiben solange ich lebe“, kündigte er an. Um die Dimension des 14. März 2014 zu bemessen, muss man an eine Aussage von Karl-Heinz Rummenigge erinnern. „Uli ist ohne Übertreibung der Spiritus Rector des FC Bayern. Ohne sein unglaubliches Engagement, ohne sein Zutun, wäre der FC Bayern nicht das, was er glücklicherweise ist und darstellt“, hatte der Bayern-Vorstandschef Ende vergangenen Jahres erklärt.

Der mit deutschen Wirtschaftsführern besetzte Aufsichtsrat des FC Bayern reagierte rasch auf Hoeneß’ Rücktritt. Herbert Hainer (59), Vorstandsvorsitzender des Sportartikelherstellers Adidas übernimmt „ab sofort bis auf weiteres“ den Vorsitz. Diesen einstimmigen Beschluss fasste das Gremium um VW-Chef Martin Winterkorn. „Eine ausgezeichnete Wahl“, twitterte der frühere Aufsichtsratschef Franz Beckenbauer.

Wer neuer Präsident wird, ist offen. Ein Comeback von Ehrenpräsident Beckenbauer ist nicht die favorisierte Lösung. Eher könnte der langjährige Finanzvorstand und jetzige Vizepräsident Karl Hopfner (61) zumindest zeitweise an die Spitze rücken. Auch dem früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (72) wird Interesse nachgesagt. Hopfner und Stoiber gehören dem Aufsichtsrat an. Der FC Bayern ist auch ohne Hoeneß personell und strukturell gut aufgestellt. Die Vormachtstellung des Rekordchampions zumindest im deutschen Fußball ist nicht ansatzweise gefährdet. Aber Hoeneß bildete immer noch das Machtzentrum des Vereins, auch wenn er seit seiner Wahl zum Präsidenten mit über 99 Prozent der Stimmen im November 2009 eigentlich nicht mehr das operative Geschäft führte.

„Er ist immer da, wenn einer Unterstützung braucht“

Er flog trotzdem nach New York, um Startrainer Pep Guardiola nach München zu lotsen. Davor hatte er seinen Freund Jupp Heynckes zurückgeholt, mit dem die Bayern 2013 das historische Triple feierten. Hoeneß verpflichtete auch Sportvorstand Matthias Sammer im Sommer 2012. Und er scheuchte 2011 höchstpersönlich den ungeliebten Coach Louis van Gaal vom Hof. „Dieser Verein ist einer der besten der Welt, das liegt an der Persönlichkeit von Uli Hoeneß“, sagte Guardiola am Freitag. „Er verdient unseren Respekt. Ich hoffe, er kann in der Zukunft zurückkommen und uns helfen“, fügte der Spanier hinzu und betonte: „Er ist mein Freund und wird mein Freund bleiben.“

Unklar ist, wie nahe das Schicksal des auch finanziell durch die Steuerschulden schwer belasteten Ex-Präsidenten der Mannschaft und besonders einzelnen Spielern geht. Bekannt ist, dass Akteure wie etwa Bastian Schweinsteiger oder Franck Ribéry ein besonderes Verhältnis zu Hoeneß pflegten. „Er ist immer da, wenn einer Unterstützung braucht“, hatte Arjen Robben noch in dieser Woche nach dem Champions-League-Spiel gegen den FC Arsenal bemerkt. Da saß Hoeneß als noch nicht verurteilter Steuersünder auf der Tribüne.

Auch am Sonnabendabend (18.30 Uhr/Liveticker auf abendblatt.de) könnte er wieder in der ausverkauften Arena sitzen, wenn der FC Bayern gegen Bayer Leverkusen zum 50. Mal nacheinander in der Bundesliga ungeschlagen bleiben will. Sein Stammplatz neben Rummenigge und seinem möglichen Nachfolger Hopfner wird aber demnächst erst einmal leer bleiben – ein bis vor kurzem unvorstellbares Bild.