Boris Becker hat seine Feuertaufe als Headcoach von Novak Djokovic bestanden. „Ich bin richtig froh, Boris in meinem Team zu haben“, sagte Djokovic. Doch die wahren Herausforderungen kommen noch.
Abu Dhabi/Köln. Die Aufmerksamkeit gefiel Boris Becker. Das war ihm anzusehen. Die blaue Trainingsjacke hoch geschlossen, sog er den Applaus des Publikums in sich auf. Die „Boris, Boris“-Rufe. Das Johlen der Zuschauer. Hier, im Emirat Abu Dhabi, feierten ihn die Leute, als wäre er noch immer der 17-jährige Leimener, der jüngste Wimbledon-Champion der Tennis-Geschichte.
Im Licht der Öffentlichkeit hat sich Becker seit jenem Tag im Juli 1985 stets gesonnt, doch diesmal war es anders. Becker war in Abu Dhabi auf die Gnade seines Arbeitgebers angewiesen, um in den Genuss der Standing Ovations zu kommen. „Ich bin richtig froh, Boris in meinem Team zu haben“, rief Novak Djokovic nach seinem Sieg beim Showturnier in die Menge: „Es ist großartig, mit dieser Trophäe unsere Zusammenarbeit zu starten. Hoffentlich gewinnen wir noch mehr.“
7:5, 6:2 hatte Djokovic im Finale gegen David Ferrer aus Spanien gewonnen, immerhin die Nummer drei der ATP-Weltrangliste. Der Serbe sah dabei so entspannt aus, wie man es bei einem Showkampf erwartet, das Match allerdings hatte es zwei Wochen vor Beginn der Australian Open (ab 13. Januar) bereits in sich. Djokovic spulte sein Programm gewohnt zielsicher ab, befreite sich mit waghalsigen Manövern aus der Defensive und feierte seinen 26. Sieg nacheinander. Zuletzt hatte er im Finale der US Open in New York gegen Rafael Nadal verloren.
Selbst wenn diese Niederlage gegen den Branchenführer aus Spanien, wie oftmals berichtet, zu einem Umdenken bei Djokovic und letztlich zur Verpflichtung Beckers geführt haben sollte, der Einfluss des deutschen Tennis-Helden ist (noch) ziemlich überschaubar. Obwohl Djokovic in all seiner Höflichkeit Beckers Analysen als „fantastisch“ in den Himmel hebt, die wenigen Trainingstage in Marbella und Abu Dhabi haben nichts am Spieler Djokovic verändert: Er ist nach wie vor Weltklasse, um das zu erkennen, bedurfte es nicht der unförmigen Trophäe und auch nicht des Siegerschecks über 250.000 Dollar.
Djokovic weiß das selbst, immerhin sagte der 26-Jährige in Abu Dhabi: „Ich werde keine großen Veränderungen vornehmen, ich bin ein kompletter Spieler. Kleine Details hier und da, kleine Anpassungen, das war's.“ Becker sieht das genauso, den Anschein machte er zumindest beim ersten gemeinsamen Auftritt mit Djokovic. Der 46-Jährige spricht von „kleinen Dingen, die auf diesem Level darüber entscheiden, ob du den großen Pokal gewinnst oder Zweiter wirst“. Aus diesem Grund hat Djokovic ihn engagiert, aus diesem Grund hat nun auch Roger Federer die Zusammenarbeit mit Beckers langjährigem Rivalen Stefan Edberg bekannt gegeben.
Becker gratulierte freundlich - natürlich über seinen Lieblingskanal Twitter. „Lasst die Spiele beginnen“, schrieb er, als lebe die Rivalität der 80er zwischen ihm, Edberg und Ivan Lendl nun wieder auf. Dessen Schützling Andy Murray reagierte bereits spöttisch auf die Retro-Coach-Welle der ATP-Profis. „Ich liebe es“, schrieb der Wimbledonsieger und fügte den Hashtag (#) „mein-coach-ist-besser-als-deiner-nananana“ an.
Auch die Superstars werden sich daran gewöhnen müssen, dass ihnen die Aufmerksamkeit nicht mehr ungeteilt zufliegt. Djokovic, Murray und Federer haben sich für diesen Weg entschieden. Bei den Australian Open in Melbourne wird die erste Bilanz gezogen.