Hockeytalent Anne Schröder wechselte in diesem Sommer vom vom Rüsselsheimer RK zum Club an der Alster. Die 19-Jährige will in Hamburg lernen, ihre Emotionen zu kontrollieren.
Hamburg. Eine Frage drängt sich auf, wenn Anne Schröder einem gegenübersitzt: Ist diese ernsthaft und für ihre 19 Jahre erstaunlich reif wirkende junge Frau wirklich dieselbe, die man vom Hockeyfeld kennt? Die mit dem Schläger in der Hand zur Furie werden kann, weil ein Schiedsrichter nicht so pfeift, wie sie es für richtig halten würde? Die kaum zu bändigen ist, wenn im Zweikampf eine Gegenspielerin etwas rustikaler zulangt? Die dreinschaut, als läge die Last der ganzen Welt auf ihren Schultern, wenn es jemand wagt, eine ihrer Aktionen zu kritisieren?
Anne Schröder lacht, wenn sie auf diese Ambivalenz angesprochen wird. Sie hat es schon oft gehört, dass sie beim Sport so ganz anders wirkt als im „normalen“ Leben. Und weil sie weiß, dass ihre Überempfindlichkeit die größte Hürde auf dem Weg in die deutsche Nationalmannschaft ist, kehrt schnell wieder die Ernsthaftigkeit zurück. Sie hat ja schon einiges versucht, um ihrer Emotionen Herr zu werden, sie hat mit einem Mentalcoach gearbeitet, viele Einzelgespräche mit diversen Trainern geführt. Sie hat sich Techniken angeeignet, die ihr in Anspannungssituationen Entspannung bringen können; tiefes, rhythmisches Atmen, auf den Oberschenkel schlagen, hastig zwei Schluck Wasser trinken. „Aber manchmal ist es eben so, dass es in mir brodelt. Das ist mein Temperament und mein Ehrgeiz, der mir nicht erlaubt, mir Fehler zu verzeihen“, sagt sie.
Im Sommer war die U21-Nationalspielerin vom Rüsselsheimer RK zum Club an der Alster gewechselt, „weil ich etwas Neues machen wollte und Hamburg im Hockey die besten Entwicklungsperspektiven bietet“. Der Kontakt zu Alster war durch ihren früheren Rüsselsheimer Coach Berti Rauth entstanden, der an der Hallerstraße als Jugendkoordinator arbeitet. Gemeinsam mit Sabine Knüpfer, mit der sie sich eine WG in Winterhude teilt, und Jessica Reimann bildet Anne Schröder im erfahrenen Team von Cheftrainer Jens George die Fraktion der „Jungen Wilden“. George hält seinen Neuzugang für „eine Spielgestalterin, die viel Potenzial und den Willen zum Lernen mitbringt“. Aber dass ihr Temperament der mit U21-Weltmeister Max Kapaun vom Uhlenhorster HC liierten Mittelfeldspielerin bisweilen im Weg steht, ist auch dem Coach nicht verborgen geblieben.
„Ich brauche einfach Erfahrung“
Dennoch scheut er sich nicht, der Zukunftshoffnung viel Spielzeit zu verschaffen. Auch in den Stadtderbys in der Hallenbundesliga an diesem Freitag (21 Uhr, Hallerstraße) gegen den Harvestehuder THC und am Sonnabend (15 Uhr, Eckerkamp) beim Klipper THC setzt der Tabellenführer auf ihre Fertigkeiten. „Ich brauche einfach Erfahrung, ich muss lernen, in einer routinierten Mannschaft Verantwortung zu übernehmen“, sagt Anne Schröder, die von früheren Nationalspielerinnen wie Tina Schütze, Martina Heinlein oder Katharina Scholz viel Unterstützung erhält. „Die fragen immer, wie sie mir helfen können, wieder runterzukommen, aber sie sagen mir auch, dass ich mich nicht verrückt machen soll“, sagt sie.
Dass sie bereit ist, auf allen Feldern des Lebens an sich zu arbeiten, zeigt der Berufswunsch der gebürtigen Düsseldorferin. Anne Schröder studiert im ersten Semester Psychologie.