Ein Kommentar von Andreas Hardt
Die Kanzlerin hatte ein gutes Gespür. Sie hatte auf eine Reise nach London verzichtet, statt Sabine Lisicki vor Ort bei dem Versuch die Daumen zu drücken, das bedeutendste Tennisturnier der Welt zu gewinnen. Bei ähnlich wichtigen Fußballspielen zeigt sich die Kanzlerin dagegen gerne auf der Tribüne. Die sind dann aber auch im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen und nicht im Pay-TV.
Es ist viel von Tennisboom die Rede nach dem tollen Durchmarsch der Berlinerin ins Endspiel von Wimbledon. Plötzlich bemüht sich die ARD in bekannter Rosinen-Rauspick-Manier um Übertragungsrechte, die sie jahrelang überhaupt nicht interessierten. Prominente wünschten Glück und twitterten öffentlich ihre Unterstützung. Damit es auch jeder mitbekommt. Und der Deutsche Tennis-Bund hofft mal wieder auf ein Hoch.
Gemach. Es würde völlig reichen, wenn Tennis die Bedeutung erhielte, die ihm gebührt. Wenn das Kurzzeit-Interesse am Bumm-Bumm-Bine-Boom nicht wieder in den Keller rauscht. Denn der Sport ist großartig und seit Jahren auf unglaublich hohem Niveau, auch ohne deutsche Sieger. Die Wahrscheinlichkeit aber spricht dagegen. Sabine Lisicki ist schließlich nicht vom Himmel gefallen, sie stand schon vor zwei Jahren im Wimbledon-Halbfinale. Angelique Kerber gehörte ein Jahr zu den Top Ten der Weltrangliste, Andrea Petkovic vor ihrer Verletzung auch. Nützte alles nichts. Ein nachhaltiger Tennisboom ist auch jetzt nicht zu erwarten.
Andernfalls hätte die Kanzlerin am Sonnabend Zeit gehabt.