Beim gut besetzten Turnier vom 13. bis 22. Juni in Rotterdam geht es auch um die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Kristina Hillmann und vier weitere Spielerinnen vom UHC sind dabei.

Hamburg Man wird diese Bilder vom 2. Juni noch länger im Kopf behalten, wie Kristina Hillmann dort liegt auf dem Kunstrasen im Sportpark Rothenbaum, neben dem Lautsprecher, aus dem „Oh wie ist das schön“ dröhnt. Wie sie den Kopf unter den Armen vergraben hat und ihr Körper von Weinkrämpfen geschüttelt wird, weil eben nichts schön ist, sondern sie mit ihrem Uhlenhorster HC das Finale um die deutsche Feldhockey-Meisterschaft durch ein „Golden Goal“ verloren hat. „Der Tag danach“, sagt sie, „ist am schlimmsten. Man möchte nicht aufwachen.“

Sie ist natürlich wieder aufgewacht. Denn Kristina Hillmann hat mit ihren 21 Jahren noch so viel vor. Außerdem muss man im Leistungssport nie lange warten, um einen neuen Anlauf starten zu können. Das kann nerven, wenn man nach einem Triumph Zeit braucht, um Kraft zu schöpfen. Aber es kann auch helfen, wenn man eine bittere Niederlage vergessen machen will. Und so ist Kristina Hillmann am vergangenen Sonnabend frohen Mutes mit dem deutschen Nationalteam in die Niederlande gereist.

In Rotterdam startet an diesem Donnerstag das vom Weltverband neu eingeführte Format „World League“, das im Zweijahresturnus die Champions Trophy ersetzt und als Qualifikationsturnier für WM und Olympische Spiele ausgetragen wird (Modus siehe Infokasten). „Es ist für uns das wichtigste Turnier des Jahres, schließlich ist die WM 2014 in den Niederlanden ein Ereignis, das fast schon den Status von Olympia erreicht“, sagt Hillmann. „Die Begeisterung für Hockey ist in Holland riesig, deshalb wollen wir alle unbedingt dabei sein.“ Das gilt auch für ihre Vereinskameradinnen vom Uhlenhorster HC, Eileen Hoffmann, Marie Mävers, Janne Müller-Wieland und Jana Teschke.

Nach dem Wechsel auf der Trainerposition von Michael Behrmann zu Jamilon Mülders, der nach dem enttäuschenden siebten Olympiaplatz in London vollzogen wurde, hat der Wind der Veränderung auch die gebürtige Baslerin Hillmann, die dank ihrer Mutter auch einen Schweizer Pass besitzt, erfasst. Während sie im Verein auf der Außenbahn im Mittelfeld spielt, setzt Mülders sie in seinem Offensivsystem als Außenstürmerin ein. „Ich musste mich damit erst einmal anfreunden“, sagt sie. „Beim UHC kriege ich offensiv fast jeden zweiten Ball, als Stürmerin im Nationalteam manchmal nur fünf pro Spiel. Aber mittlerweile finde ich es cool, weil ich etwas Neues lerne und an Schwächen wie dem Torschuss und dem Zweikampfverhalten in Eins-gegen-eins-Situationen arbeiten kann. Und ehrlich gesagt nehme ich mit Blick auf die Konkurrenz im Mittelfeld jede Position, auf der ich spielen darf.“

Angesichts ihrer Erfahrung – immerhin ist sie schon bei Olympischen Spielen für Deutschland aufgelaufen – klingen solche Worte wie Understatement. Aber Kristina Hillmann hinterfragt sich tatsächlich ständig selbst und will die eigene Leistung immer wieder bestätigen, um in der Entwicklung nicht stehen zubleiben. „Bei Olympia war ich wie ein staunender Fan, ich habe den Schalter zwischen Tourist und Athlet nicht ganz umlegen können“, sagt sie. Nicht, dass sie sich während der Spiele nicht voll konzentriert habe. „Aber diese Abgeklärtheit, sich nicht ablenken zu lassen, hat mir gefehlt.“ In Rotterdam will sie das verbessern, 2016 in Rio, wenn wieder um olympische Medaillen gekämpft wird, will sie es perfektionieren. „Auf diesem Weg hilft mir jede Erfahrung weiter.“

Wer Kristina Hillmann zum ersten Mal begegnet, sieht eine zierliche, blonde Frau, die auch als Model für Sportbekleidung eine perfekte Figur machen würde. Aber kaum jemand traut ihr zu, eine bissige Zweikämpferin und dauerlaufende Antreiberin auf dem Hockeyplatz zu sein. Kaum ein Spiel vergeht, in dem sie nicht mit blutenden Wunden an Knien, Händen oder Ellenbogen vom Feld kommt. „An mein Aussehen denke ich auf dem Platz wirklich nicht. Wer das tut, ist falsch im Leistungssport“, sagt sie. „Es gibt doch nichts Schöneres, als sich in einen wichtigen Ball zu werfen.“ Als Schwester zweier jüngerer Brüder habe sie gelernt, sich zu behaupten. Die Eltern hätten ihr beigebracht, das, was ihr am Herzen liegt, immer mit 100 Prozent zu tun. Zu Beginn ihrer Karriere wurde sie unterschätzt. „Ich hoffe, das tut jetzt niemand mehr.“

Kristina Hillmann hat schon lange gewusst, was sie wollte. Den Traum von Olympia hat sie sich früher erfüllt als erwartet, dafür ist sie nach ihrem Wechsel vom Club zur Vahr zum UHC 2009 jahrelang von Bremen nach Hamburg gependelt, um ihre sportlichen Grenzen zu verschieben. Jetzt lebt sie mit ihrer UHC- und Nationalmannschaftskollegin Jana Teschke in einer WG und kann die eingesparte Zeit in ihr Studium investieren. Sie studiert Physiotherapie, weil sie ihren Wunschplatz in der Medizin trotz eines 1,7-Abiturschnitts nicht bekommt. Aber deshalb aufgeben?

Sie erzählt die Geschichte ihrer Mutter, die vor zwei Jahren an Krebs erkrankte. „Sie hat gekämpft, heute geht es ihr wieder gut. Dieses Kämpfen begegnet einem immer wieder im Leben. Und mit festem Willen kann man alles schaffen“, sagt sie. Hinfallen, aufstehen, weitermachen – dann sind es irgendwann die anderen, die weinen.