Der 33 Jahre alte Cruisergewichtler Ola Afolabi will an diesem Sonnabend im dritten Duell mit Weltmeister Marco Huck in der Berliner Max-Schmeling-Halle endlich den ersten Sieg.
Hamburg. Manchmal, sagt Ola Afolabi, erkenne er sich nicht wieder. Manchmal versuche er, sein Leben von außen zu betrachten, und was er dabei sehe, lasse ihn staunen. „Ich sehe dann einen gereiften Mann mit einer Arbeitseinstellung, die früher unmöglich gewesen wäre. Ich sehe einen Menschen, der in der Lage ist, sich Ziele zu stecken und sie zu erreichen“, sagt er. Dass dieser Mensch er selbst ist, überrascht ihn. Und zugleich macht es ihn glücklich.
Olawale Afolabi, 33, steht an diesem Sonnabend (22.35 Uhr/ARD) in der Berliner Max-Schmeling-Halle wieder einmal vor dem größten Kampf seines Lebens. Zum dritten Mal fordert der Cruisergewichts-Boxprofi WBO-Weltmeister Marco Huck vom Berliner Sauerland-Team heraus. Im Dezember 2009 unterlag er einstimmig nach Punkten, im Mai vergangenen Jahres durfte Huck seinen Titel nur dank eines für ihn schmeichelhaften Unentschiedens behalten. „Nun bin ich dran mit einem Sieg. Und dann bin ich der Champion, dann ist alles andere vergessen“, sagt Afolabi.
Es wäre fatal, wenn alles vergessen wäre, denn um den Weg zu verstehen, den Ola Afolabi gegangen ist, darf man seine Vergangenheit nicht ausblenden. Geboren wurde der Sohn nigerianischer Eltern in London, er hat die britische und die nigerianische Staatsangehörigkeit, fühlt sich beiden Nationen zugehörig, aber heimisch immer dort, „wo mein Herz sich wohlfühlt“. Seine Kindheit, die er abwechselnd in Afrika oder auf den Straßen der englischen Hauptstadt verbrachte, war hart. „Ich war ein Problemkind, ein richtiger Troublemaker, schlug mich in Gangs durch. Ohne das Boxen wäre ich heute im Knast oder tot“, sagt er.
Den Sport, der ihn Regeln lehrte und auch erstmals mit Werten wie Fleiß und Disziplin in Verbindung brachte, fand Afolabi erst, als er vor 13 Jahren nach Los Angeles übersiedelte. In den USA trainierte er in guten Gyms mit richtigen Vorbildern. Dennoch brauchte es nach dem Beginn seiner Profikarriere im Jahr 2002 sieben Jahre und die erste vergebene WM-Chance, bis ihm der Schritt gelang, sein Leben dem Boxen unterzuordnen. Sein Glück war die Vertragsunterzeichnung mit K2 Promotions, dem US-Ableger der Managementagentur der Klitschko-Brüder Vitali und Wladimir, die ihn in Los Angeles entdeckten. „Die Klitschkos haben mir regelmäßige Kämpfe verschafft, von ihnen habe ich gelernt, was es heißt, sich auf seinen Beruf zu konzentrieren. Ohne sie wäre ich im Berufsboxen nicht mehr da, ein Niemand“, sagt Afolabi.
Mit seiner Unterschrift bei K2 begann auch die Zusammenarbeit mit dem Hamburger Weltmeistermacher Fritz Sdunek, der bis heute auch Cheftrainer von Vitali Klitschko ist. Der 66-Jährige war mehrfach kurz davor, die Zusammenarbeit zu beenden, weil sich Afolabi mit seiner Faulheit sein großes Talent zu zerstören drohte. Mittlerweile ist Sdunek jedoch ebenso überrascht wie Afolabi selbst über dessen Wandlung. „In dieser Vorbereitung musste ich ihn manchmal sogar bremsen, weil Ola extrem viele Laufeinheiten gemacht hat. Die Gefahr, dass er übertrainiert, war da. Das hätte ich 2010 niemals geglaubt. Aber er hat sein Phlegma weitgehend abgelegt“, sagt Sdunek, der Afolabi in Hamburg im Gym des EC-Profistalls an der Eiffestraße auf das dritte Duell mit Huck vorbereitete, nachdem dieser am Big Bear Lake in den Bergen Kaliforniens die athletischen Grundlagen gelegt hatte.
Afolabi ist kein Modellathlet wie die Klitschkos, er ist ein Lebemann, der Frauen ebenso schwer widerstehen kann wie sein Vater, der ihm rund 60 Geschwister beschert hat, „genau weiß ich es nicht“. Er macht auch kein Geheimnis daraus, dass der Antrieb für sein Tun das Geld ist. „Ich weiß doch, dass es überall auf der Welt viel bessere Kämpfer gibt als mich, die aber viel weniger verdienen. Deshalb boxe ich dort, wo das meiste Geld für mich zu holen ist“, sagt er. Zuletzt war das Deutschland, sechs seiner letzten sieben Kämpfe fanden hier statt. „Die Fans in Deutschland sind sehr fair zu mir, hier bekomme ich Liebe und Anerkennung“, sagt er. Beides vermisst er in England, wo er bislang nur einmal, 2009 in Manchester gegen Enzo Maccarinelli, antreten durfte. Und auch in Nigeria ist er zwar bekannt, aber kein Star.
Besiegt er an diesem Sonnabend Marco Huck, dann könnte sich das schlagartig ändern. Entsprechend aufgeheizt war die Atmosphäre zwischen beiden Kämpfern in den vergangenen Wochen. „Persönlich ist nichts zwischen Marco und mir, aber mich stört, dass er so tut, als ob er der Beste sei. Er hat seine letzten beiden Kämpfe nur dank der Punktrichter nicht verloren“, sagt Afolabi, dem die 13-monatige Kampfpause nach eigenem Bekunden gut getan hat. Im Training arbeitete er hart an Einzelschlägen, ein Knockout ist diesmal sein Ziel, um nicht auf Urteile anderer angewiesen zu sein. Das Vertrauen in die Punktrichter habe er allerdings nicht verloren. „Marco hat zuletzt so viele Geschenke bekommen, dass die Welt diesmal ganz genau hinschauen wird. Trotzdem fühle ich, dass ich ihn ausknocken werde“, sagt er.
Am Sonntagmorgen wird es, glaubt Ola Afolabi, Marco Huck sein, der sich nicht wiedererkennt.