Auch im zweiten WM-Spiel hat sich das deutsche Eishockey-Team gegen einen Favoriten teuer verkauft. Gegen Russland reichte es allerdings nicht zu einem Punktgewinn.
Helsinki. NHL-Torjäger Ilja Kowaltschuk hat der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft einen zweiten Achtungserfolg bei der Weltmeisterschaft in Helsinki vermasselt. Der russische Stürmerstar sorgte am Sonntag beim 1:4 (0:0, 0:2, 1:2) mit einem Dreierpack für die Entscheidung gegen eine lobenswert kämpfende, in den entscheidenden Szenen aber zu sorglose Auswahl von Bundestrainer Pat Cortina. Nach dem starken Auftakt gegen Co-Gastgeber Finnland (3:4 nach Verlängerung) blieb den Deutschen, für die John Tripp traf (46. Minute), ein weiterer Punktgewinn verwehrt. Kowaltschuk hatte im zweiten Drittel deutsche Fehler eiskalt genutzt (24./31./59.), Denis Kokarew erzielte mit seinem Treffer ins leere Tor den Endstand (60.).
Die nächste Chance zu einer Überraschung hat das DEB-Team, dem in der Schlussphase der vermeintliche Ausgleich durch André Rankel wegen einer umstrittenen Schiedsrichterentscheidung aberkannt worden war (55.), schon an diesem Montag gegen Vorjahresfinalist Slowakei (15.15 Uhr/Sport1).
„Wir können mit unserer Einstellung sehr zufrieden sein“, meinte Kapitän Christian Ehrhoff. „Wir hatten in den 60 Minuten mehr Möglichkeiten, aber die Russen haben zum richtigen Zeitpunkt die Tore gemacht. Wir werden gegen die Slowaken wieder mit Vollgas angreifen.“ NHL-Kollege Marcel Goc fand: „Das wird genauso schwer wie gegen Finnland und Russland. Wir müssen unsere Spielweise nicht umstellen, außer vor dem Tor ein bisschen mehr Zeit lassen, dann geht das Ding auch rein.“ Trainer Cortina meinte: „Wir hätten ein bisschen mehr verdient.“
Im Gegensatz zum Turnierstart, als die Mannschaft des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) zu viele Strafzeiten kassierte, aber immerhin im eigenen Powerplay erfolgreich war, bot sich gegen den 26-maligen Weltmeister ein konträres Bild: Die Cortina-Schützlinge vermieden Zwei-Minuten-Strafen, fanden aber in Überzahl außer beim Treffer von Tripp nach Vorlage von Michael Wolf keinen Weg zum Tor. Damit stand am Ende die 91. Niederlage im 103. Duell gegen Russland fest.
Wie einem Weltranglisten-Ersten beizukommen ist, hatte Cortina schon im Vorfeld des Öfteren kundgetan, nämlich mit Leidenschaft und bedingungslosem Einsatz. Entsprechend konnte er mit dem Auftritt seiner Schützlinge zufrieden sein. Die Deutschen wählten von Anfang an eine harte Gangart, kämpften um jeden Puck und waren bei Checks nicht zimperlich. Eine finnische Live-Band stimmte in der nur spärlich gefüllten Halle während einer Unterbrechung „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ an – sehr zu Belustigung der deutschen Zuschauer. Gemütlich war der Nachmittag allerdings auch für die Russen nicht.
Bei den Chancen von Jens Baxmann (14.) nach feiner Vorarbeit von Frank Mauer und dem Pfostentreffer von Mauer selbst (33.) geriet NHL-Goalie Semjon Warlamow in Verlegenheit. Erwartungsgemäß viel Arbeit hatte aber auch Gegenüber Dennis Endras, der 2011 in Bratislava den historischen 2:0-Sieg über die Sbornaja noch festgehalten hatte. Schon nach 15 Sekunden klärte Frank Hördler einen Kowaltschuk-Schuss für den geschlagenen Schlussmann auf der Linie. In der 20. Minute ging ein Schuss des Stürmers knapp am Tor vorbei.
Im zweiten Drittel verschonte der Star der New Jersey Devils den deutschen Schlussmann nicht mehr: Das DEB-Team bekam zweimal den Puck nicht aus der Zone, beide Male schlug Kowaltschuk eiskalt zu. Kurz vor Schluss war der 30-Jährige bei einem Konter ebenfalls zur Stelle und ist mit 28 Toren nun russischer WM-Rekordtorschütze.
Immerhin passte die Einstellung, auf die die Nationalmannschaft auch am Montag gegen die Slowakei setzen wird. Dann will auch Verbandspräsident Uwe Harnos in Helsinki sein, um sich sein erstes Match live anzusehen. Der DEB-Chef hatte am Wochenende für einige Verwirrung gesorgt, als er in einem Interview von einer möglichen Degradierung Cortinas in dessen Doppelrolle als Cheftrainer und Sportdirektor sprach. Am Sonntag beteuerte Harnos, Gedanken „von ganz allgemeiner Bedeutung“ geäußert zu haben. „Es ging doch dabei nicht um Pat Cortina“, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.
Der Bundestrainer selbst hatte am Samstag etwas angesäuert gemeint: „Was Herr Harnos denkt oder nicht denkt, hilft mir als Coach nicht weiter.“ Das Interview der „Süddeutschen Zeitung“ war am vergangenen Freitag erschienen, als Deutschland Gastgeber Finnland zum WM-Auftakt nach einer beachtlichen Leistung erst in der Overtime 3:4 unterlegen war und damit den ersten Punkt ergattert hatte.