Die Hamburger Profiboxerin Susi Kentikian startet am Sonnabend gegen Carina Moreno ein Comeback in einem völlig neuen Umfeld.
Hamburg. "Ich fühle mich absolut wohl", sagt Susi Kentikian, und man könnte diesen Satz als Banalität abtun, wenn man nicht wüsste, dass die Hamburger Profiboxerin ihn seit langer Zeit nicht mehr gesagt hat. Die 25-Jährige hat Monate der Ungewissheit hinter sich, eine Achterbahnfahrt der Gefühle und einen Sturm der Veränderungen in ihrem Leben. Aber nun ist sie sich absolut sicher, "dass ich den richtigen Schritt gegangen bin und es für mich endlich wieder nach oben geht."
Angefangen hatte alles mit dem Ende beim Hamburger Universum-Stall, der ihr nach dem Auslaufen des TV-Vertrags mit dem ZDF Ende Juli 2010 keine Fernsehplattform mehr bieten konnte. Kentikian, die als Amateurboxerin von Universum entdeckt und zur Dreifachweltmeisterin im Fliegengewicht aufgebaut worden war, wechselte zum Magdeburger SES-Stall. Doch dort fehlte es ihr an Aufmerksamkeit, ihre Kämpfe liefen statt auf ProSieben oder ZDF nur im Spartensender Sport1 oder bei Das Vierte. Die gebürtige Armenierin, die sich an das Rampenlicht und entsprechende Kampfbörsen gewöhnt hatte, fühlte sich abgeschoben.
"Ich war mit der gesamten Situation unzufrieden und habe regelrecht bocklos gewirkt", gibt sie zu. Dieses Motivationsloch bewirkte, dass sie im letzten Kampf im Mai ihre Titel an die US-Amerikanerin Melissa McMorrow verlor. Es war im 31. Profikampf ihre erste Niederlage, und auch wenn sie bis heute überzeugt ist, das knappe 1:2-Punkturteil sei ungerecht gewesen, war dieses Erlebnis der Anstoß dazu, ihr Umfeld grundlegend zu verändern. Ein gutes halbes Jahr später steigt die 152 cm kleine Powerfrau nun zu ihrem Comeback in den Ring. An diesem Sonnabend (22.15 Uhr) trifft sie im Düsseldorfer Castello auf Carina Moreno (USA), es geht um den vakanten WM-Titel der WBA, und man darf sich, so sagt die Athletin, auf eine runderneuerte Susi Kentikian freuen.
Sie hat den Promoter gewechselt, lässt sich nun vom Kölner Ex-Mittelgewichts-Champion Felix Sturm vermarkten. Der Kampf wird auf Sat.1 und damit einem Sender übertragen, der der Fliegengewichtlerin das Gefühl gibt, "dass ich zurück bin auf der großen Bühne". Sie hat nach der Trennung von ihrem langjährigen Manager Christoph Wesche mit dem Hamburger Klaus Bönig einen neuen Berater gefunden.
Vor allem aber, und das dürfte das Wichtigste sein, hat sie im Training wieder gespürt, dass ihr das Boxen Freude bereitet. "Meine Einstellung war vor ein paar Monaten komplett weg. Ich kam von ganz oben und fühlte mich an den Rand gedrängt. Aber jetzt weiß ich wieder, wofür ich mich quäle", sagt sie. Und so will sie gegen Moreno, eine frühere Weltmeisterin im Minimumgewicht, wieder das zeigen, was "die alte Susi ausgezeichnet hat: kämpfen bis zum Ende, mit voller Kraft und Aggressivität", sagt sie.
Die letzte Konstante in ihrem Berufsleben ist der Mann an ihrer Seite. Den Gedanken, sich auch von Trainer Magomed Schaburow zu trennen, verwarf sie - und ist sehr glücklich darüber. "Magomed hat unter der Ungewissheit bei Universum und SES auch sehr gelitten, und die räumliche Trennung, als er schon bei Sturm in Köln war und ich noch in Hamburg oder Magdeburg, hat uns auch nicht gut getan", sagt sie. Aber in dieser Vorbereitung habe man wieder zueinandergefunden, "das Verhältnis ist wieder wie zu Beginn unserer Zusammenarbeit".
Gern hätte Susi Kentikian sofort den Rückkampf gegen McMorrow bestritten, es wäre die perfekte Ausgangslage für einen totalen Neustart gewesen. Aber letztlich zählt für sie nur eins: "Auch wenn der Druck groß ist: Ich freue mich unheimlich auf den Kampf", sagt sie. Auch das ist ein Satz, den man lange nicht von ihr gehört hat.