Siege in Singapur, Japan und Südkorea. Mit einem weiteren Triumph in Indien kommt Sebastian Vettel dem Titelhattrick in greifbare Nähe.
Greater Noida. Nach der Liebeserklärung vor einem Jahr will Sebastian Vettel in Indien wieder für große Gefühle sorgen. Selbst wenn er diesmal nicht, wie eine indische Zeitung fast schon beleidigt feststellte, vorher zum ehrwürdigen und hochheiligen Taj Mahal pilgern wird. Vettel ist auf eigener WM-Mission unterwegs: Nach seinen Siegen in Singapur, Japan und Südkorea kann er den Vorsprung auf den schwächelnden Ferrari-Star Fernando Alonso mit einem weiteren Erfolg ausbauen und seine asiatischen Festwochen fortsetzen. Und zumindest rechnerisch eine Woche später in Abu Dhabi, dem Ort seines ersten WM-Triumphs, zum dritten Mal Formel-1-Weltmeister werden.
Der Blick des 25 Jahre alten Heppenheimers reicht aber nur bis zum Buddh International Circuit, auf dem er vor einem Jahr von der Pole aus gewann. „Wir müssen die Dinge einfach halten und auf uns schauen. Was die anderen machen, haben wir nicht im Griff“, beteuert Vettel gebetsmühlenartig – auch nach der Übernahme der WM-Führung.
Nach wenigen Tagen des Durchatmens in der Schweizer Heimat nach seinem Sieg in Südkorea saß Vettel schon wieder im Simulator. Während Erzrivale Alonso über seine 90-Kilometer-Rad- oder 24-Kilometer-Laufeinheiten stolz via Twitter berichtete, arbeitete und trainierte Vettel für die finalen vier Rennen – wie immer – im Verborgenen.
Denn selbst wenn alles im Moment für den Weltmeister von 2010 und 2011 im Duell gegen den Champion von 2005 und 2006 (damals im Renault) spricht, kann sich in Indien wieder alles ändern. Denn der 5,125 Kilometer lange Kurs rund 50 Kilometer von der 14-Millionen-Einwohner-Metropole Neu Delhi entfernt hat es in sich. Teilweise bis zu acht Prozent Steigung oder bis zu zehn Prozent Gefälle. „Es ist ist wie eine Achterbahn“, schildert Vettel – mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 235 Sachen.
Mit sechs Punkten Vorsprung auf Alonso (209) startet Vettel (215) in seinem Red Bull in das viertletzte Grand-Prix-Wochenende des Jahres. Alles deutet auf das Duell der beiden Doppelweltmeister hin - wenn nicht der drittplatzierte Kimi Räikkönen – 48 Punkte hinter Vettel (!) – schon die Geister der Vergangenheit beschwören würde. „2007 war die WM erst im letzten Rennen entschieden, alles ist also möglich“, orakelt Räikkönen in Erinnerung an seinen Ferrari-Coup im finalen Rennen vor fünf Jahren. Seitdem warten die Scuderia und auch Alonso auf den nächsten Titel, auch wenn sie schon dicht dran waren.
Im Gegensatz zu Ferrari durfte Mercedes in den vergangenen beiden Jahren nicht mal an der WM-Trophäe schnuppern. Dank Michael Schumacher war den Silberpfeilen erhöhte Aufmerksamkeit weltweit trotzdem gewiss. Das wird sich auch in Indien nicht ändern, wo die Formel 1 im vergangenen Jahr ihre Premiere gefeiert hatte und Schumacher den viertletzten Akt seiner Abschiedsvorstellung in den PS-Ruhestand geben wird.
Allerdings wirkt die Freude auf die Zeit nach seinen insgesamt dann 308 Formel-1-Rennen mittlerweile größer als das Vergnügen, um einen Top-Ten-Platz kämpfen zu müssen oder nach eigenen Fehlern sogar vorzeitig mit dem Roller in die Box gebracht zu werden. Wie auch immer, Schumachers Fazit steht bereits: „Ich kann die Formel 1 jetzt erhobenen Hauptes verlassen.“
Zumindest ein bisschen teilen dürfte sich Schumacher die geneigte indische Aufmerksamkeit mit einem anderen deutschen Piloten: Für Nico Hülkenberg begann der Indien-Grand-Prix schon am Montag bei einem Sponsorentermin. Es dürfte der letzte Indien-Start des Emmerichers sein für Force India. Sein Wechsel zu Sauber ist besiegelt, wenn auch noch nicht offiziell bestätigt. Damit wird Hülkenberg dann der mächtigsten Frau in der Formel 1 unterstehen: Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn, geboren in Indien.
Ihrem Landsmann, Mitbesitzer und Force-India-Teamchef Vijay Mallya, hat sie in der Königsklasse des Motorsports mit ihrer zurückhaltend-charmanten und höflichen Art den Rang abgelaufen. Mallya muss sich zudem auf Proteste von Angestellten seiner pleitegegangenen Fluglinie Kingfisher gefasst machen.