Seitdem der Kampf in London am Sonnabend angekündigt wurde, lassen die Schwergewichte keine Gelegenheit aus, um einander zu beleidigen.
Hamburg. „Hass-Duell“, „Skandalboxer“, „Fall für den Psychiater“ – seit der umtriebige Box-Promoter und Manager Frank Warren den Schwergewichts-Kampf zwischen David Haye und Dereck Chisora am Sonnabend auf die Beine gestellt hat, fliegen vor den Fäusten die starken Vokabeln. „Sie haben sich hinter der Kamera geprügelt“, erinnert ein atemloser Werbesprecher des Bezahlsenders Sky, „jetzt treffen sie sich im Ring.“ „Und dann?“ denkt man im Geiste mit.
Wer dabei sein will, muss 25 Euro zahlen, Frühbucherrabatt 20. Dafür gibt es dann auch noch die Moderation von Witzbold Oliver Pocher und Experte Axel Schulz. Das kann heiter werden. In London sitzen derweil etwas 35.000 Zuschauer in einem Fußballstadion und sehen sich den sportlich komplett bedeutungslosen Kampf eines zurückgetretenen Ex-Weltmeisters (Haye) und eines an höheren Aufgaben Gescheiterten an, der drei seiner letzten vier Kämpfe verlor (Chisora). Nicht nur Sex sells, sondern eben auch Gewalt.
Sogar die ARD wollte übertragen
Als der Kampf in London im Mai angekündigt wurde, waren Haye und Chisora fotogen durch einen Zaun voneinander getrennt, wie zwei wilde Tiere. Seitdem lassen sie im Vorfeld keine Gelegenheit aus, um einander zu beleidigen. Die Atmosphäre gehört eben immer weiter aufgeheizt. Sogar die ARD war kurzfristig dem Reiz dieses Gladiatoren-Kampfes erlegen und wollte live übertragen. Erst Tage später folgte die Einsicht. Jetzt muss der deutsche Krawallliebhaber eben bei Sky bezahlen.
Die Szenen aus den Katakomben der Münchner Olympiahalle gingen um die Welt. Nach der Niederlage von Chisora gegen Witali Klitschko tauchte auf der Pressekonferenz Haye auf und provozierte seinen britischen Landsmann. Der ging auf Haye los, Haye hatte plötzlich eine Flasche in der Hand, Handgemenge, Aufregung, Blut. Es sah ernst aus und war der größte Skandal des Boxens in jüngerer Vergangenheit.
Der britische Profiboxverband BBBofC entzog Chisora daraufhin die Lizenz und empfahl ihm, sich einem Anti-Aggressionstraining zu unterziehen. Haye hatte nach seinem Rücktritt im Herbst gar keine Lizenz mehr. „Da ist jemand, der einen anderen bespuckt, ohrfeigt und bepöbelt und nur drei Monate später darf der wieder boxen, das ist negativ für den Boxsport und ein schlechtes Vorbild für die Jugend“, sagte Klitschko-Manager Bernd Bönte.
Ruf des Berufsboxens wird weiter beschädigt
Einen Rest von Ordnung, Anstand und dem Verbreiten sportlicher Werte wollte das BBBofC aufrechterhalten, wird dabei aber durch den Box-Verband von Luxemburg hintergangen, der den Kampf nun beaufsichtigt. Durch die freie Wahl des Arbeitsplatzes darf die Veranstaltung in der englischen Hauptstadt stattfinden. „Niemand würde über die beiden reden, wenn sie sich nicht geprügelt hätten“, sagte der englische Box-Promoter Frank Maloney, „hier wird die Autorität des Verbandes hintergangen.“
Und der ohnehin angekratzte Ruf des Berufsboxens weiter geschädigt. Jetzt schon ist die Szene mit ihren zahlreichen Weltverbänden, Skandalurteilen und verschobenen Ranglisten äußerst fragwürdig. Aber es geht nur ums Geschäft und manch einer fragt sich inzwischen, ob die PR-trächtige Hauerei in München nicht geplant und inszeniert war. „Da kämpfen zwei Klitschko-Verlierer gegeneinander, das interessiert mich nicht“, sagte Witali Klitschko. Viele denken anders.