Seit über 30 Jahren träumt Polen von der Rückkehr in die Weltspitze des Fußballs. Die EM im eigenen Land bietet eine Riesenchance einen weiteren großen Schritt zu absolvieren.

WARSCHAU/KÖLN. Der Countdown läuft, in Polen laufen die letzten Arbeiten auf Hochtouren - an den EM-Stadien, an der Infrastruktur und auch bei der Nationalmannschaft. Denn die Erwartungen sind groß, die Chance wohl einmalig für die Fußballer nach rund 40 Jahren wieder in den Fokus des Weltfußballs zu rücken. Zum insgesamt dritten Mal nach 1960 und 2008 werden die «Bialo-Czerwoni» (die Weiß-Roten) im Rampenlicht einer EM stehen, wenn sie am 8. Juni 2012 im Warschau zum Eröffnungsspiel auflaufen.

Und das auch nur, weil Polen als Gastgeber automatisch qualifiziert ist und sich nicht durch die Mühle der Qualifikation quälen musste, behaupten viele Skeptiker. Nationalcoach Franciszek Smuda, seit 2009 in Amt und Würden, ist um seine Aufgabe nicht zu beneiden. Denn Kicker der europäischen Spitzenklasse sind rar, was eine Folge der jahrelangen Misswirtschaft im Fußball ist.

Als die Europäische Fußball-Union (Uefa) am 8. November 2005 die EM überraschend an Polen und die Ukraine vergab, glich Polens Verband PZPN einem Sumpf aus Korruption und war nicht in der Lage, frühzeitig die sportlichen Weichen für eine erfolgreiche EM zu stellen. Die Nationalmannschaft wurschtelte sich so durch, qualifizierte sich für die WM 2006 in Deutschland und die EM 2008 in der Schweiz und Österreich, schied aber jeweils schon nach der Vorrunde aus.

Den Fans blieben nur die Erinnerungen an die goldene Ära in den 70er Jahren, als Polen 1972 mit dem Olympiasieg in München den größten Erfolg feierte. Bei der WM 1974 in Deutschland erreichte es Platz drei wie auch 1982 bei der WM in Spanien. Zudem erreichte Polen zwei weitere olympische Silbermedaillen 1976 in Montreal und 1992 in Barcelona. Das war's vorerst.

Erst seit dem Sommer ist sportlich ein Silberstreif am Horizont erkennbar. Parallel zum Bau der repräsentativen EM-Stadien wurden ganz allmählich auch die polnischen Klubs wieder erfolgreicher. Mit Wisla Krakau und Legia Warschau haben erstmals Teams die Gruppenphase der Europa League erreicht. Insgesamt eine gute Entwicklung, aber gut genug für erste Früchte bei der EM?

Smuda lässt nicht unversucht, eine schlagkräftige Truppe zu basteln. Kein leichtes Unterfangen, denn die besten Akteure spielen verstreut bei diversen Klubs im Ausland. Für Smuda ist derzeit Dortmund «die Hauptstadt des polnischen Fußballs». Denn gleich drei der absoluten Leistungsträger stehen dort beim deutschen Meister unter Vertrag: Kapitän Jakub Blaszczykowski, Verteidiger Lukasz Piszczek und Torjäger Robert Lewandowski.

Der 23-Jährige wird in seiner Heimat als derzeit bester Fußballer des Landes gefeiert. Mit Argusaugen wird seine Entwicklung beim BVB registriert. Aber noch, so Smuda, hat der «polnische Torres», wie sie Lewandowski in Anlehnung an die Spielweise des spanischen Torjäger Fernando Torres in der Heimat nennen, sein Potenzial noch nicht ausgeschöpft.

Zum Kader des Nationalteams zählen auch die Bundesliga-Legionäre Adam Matuszczyk und Slawomir Peszko vom 1. FC Köln. Großer Rückhalt der Abwehr ist jedoch Torhüter Wojcech Szczesny vom FC Arsenal aus der englischen Premier League. Zu den erfahrensten Spielern zählen Arkadiusz Glowacki, der sein Geld bei Trabzonspor in der Türkei verdient, und Mittelfeldakteur Dariusz Dudka vom AJ Auxerre in Frankreich. (sid/abendblatt.de)