Russland gilt als schlafender Riese. Zu selten konnte die Sbornaja allerdings bei großen Turnieren die hochgesteckten Erwartungen erfüllen.
KÖLN/MOSKAU. Der russische Fußball hat bereits vor Jahresfrist einen ganz großen Triumph errungen. Das Riesenreich bekam vom Exekutivkomitee des Weltverbandes Fifa den Zuschlag für die WM-Endrunde 2018 und darf erstmals überhaupt die Fußball-Welt bei «Mütterchen Russland» willkommen heißen. Natürlich will die Sbornaja beim Heimspiel in sechseinhalb Jahren ebenfalls eine gute Rolle spielen, deshalb ist die EURO 2012 in Polen und der Ukraine eine wichtige Durchgangsstation für die russische Auswahl.
Bei der EM-Endrunde 2008 in Österreich und der Schweiz überraschten die Russen mit ihrem herzerfrischenden Angriffsfußball und entzauberten im Viertelfinale die hochgelobten niederländischen Stars (3:1 n.V.). Aber in der Vorschlussrunde wurden den Russen, damals betreut von der niederländischen Trainer-Ikone Guus Hiddink, vom späteren Welt- Europameisterschaft Spanien deutlich die Grenzen aufgezeigt. 3:0 siegten die Iberer und gaben im Endspiel auch Deutschland das Nachsehen.
In der Qualifikation für die EM-Endrunde im kommende spazierten die Russen unter dem neuen Cheftrainer Dick Advocaat mehr oder minder problemlos durch. Auch weiterhin setzt der russische Fußball also auf den Oranje-Einfluss. Mit 23 Punkten sicherte sich der Europameister von 1960 klar den Gruppensieg vor Irland. Der ehemalige Mönchengladbacher Bundesliga-Coach soll bei der EM-Endrunde 2012 das schaffen, was Hiddink versagt geblieben war.
«Ich hoffe inständig, dass die Mannschaft, von jetzt an, nicht mehr so heftig kritisiert wird wie in der Vergangenheit», betonte Advocaat, der zuvor schon Zenit St. Petersburg zum UEFA-Cup-Sieg (2008) geführt hatte. Der 64-Jährige kennt inzwischen die russische Fußball-Seele aus dem Effeff - vielleicht auch ein Erfolgsgeheimnis.
Der russische Verbands-Präsident Sergej Fursenko schätzt den Holländer: «Ich kenne ich noch aus Zeiten bei Zenit. Es gab nie Meinungsunterschiede, denn er arbeitet höchst professionell und pragmatisch. Ich vertraue ihm. Ich habe den Eindruck, dass er ein wenig auch zu einem Russen geworden ist.»
Seit dem Triumph bei der ersten EM überhaupt vor 51 Jahren und dem Erreichen der Endspiels 1988 bei der Endrunde in Deutschland gegen die Niederlande (0:2) - jeweils als UdSSR-Auswahl - ging die Sbornaja bei EM-Turnieren regelmäßig leer aus. Das Abschneiden 2008 bedeutete nach langer Zeit wieder ein Erfolgserlebnis.
Dass der russische Fußball wieder international mehr Beachtung geschenkt wird, verdankt er nicht nur der WM-Gastgeberrolle 2018. In den letzten Jahren ist auch in der nationalen Liga viel passiert. Milliardenschwere Oligarchen haben sich des Fußballs angenommen und wollen die Klub auch international wettbewerbsfähig machen.
Während Roman Abramowitsch lieber sein Geld in den FC Chelsea steckt, investieren andere Superreiche des Landes Millionen und Abermillionen in ihre Klubs, die mit hochkarätigen Stars aus dem Ausland verstärkt werden. Ein Beispiel ist Milliardär Suleiman Kerimow, der den Erstligisten Anschi Machatschkala mit Hochkarätern wie Samuel Eto'o, Roberto Carlos und Juri Schirkow verstärkt hatte.
Bei Dynamo Moskau spielt in Kevin Kuranyi (früher Schalke 04 und VfB Stuttgart) auch ein deutscher Ex-Nationalspieler in der russischen Premjer Liga, die in den letzten Jahren aufgrund zahlreicher Legionäre deutlich an Bedeutung gewonnen hat.
Aber auch die russischen Nationalspieler sind längst bei ausländischen Klubs beliebt. Der VfB Stuttgart hat in Pawel Pogrebnjak einen der erfolgreichsten Angreifer in seinen Reihen. Der große Star ist natürlich Andrej Arschawin, der beim FC Arsenal in London spielt und auch bei der EURO einer der Hoffnungsträger im Advocaat-Team ist. (sid/abendblatt.de)