Bis zur letzten Minute musste der zweimalige Europameister Frankreich zittern, ehe die achte EM-Teilnahme feststand. Favoriten sind andere.

PARIS/KÖLN. An Selbstbewusstsein mangelt es den Fußballern der «Grande Nation» nicht. «Wir spielen natürlich um den EM-Titel mit», tönte Bayern-Star Franck Ribery, nachdem sich Frankreich zum achten Mal für die Endrunde qualifiziert hatte. Und Abwehrspieler Eric Abidal stieß ins selbe Horn: «Jetzt wollen wir auch die EURO gewinnen.»

Woher Ribery und Co. ihre Ansprüche ableiten, ist nicht ganz klar. Zwar sind Les Bleus seit 17 Spielen ungeschlagen. Doch in einer Form, die Titelträume realistisch erscheinen lässt, präsentierten sie sich nicht. Bis zur letzten Minute musste der neue Nationaltrainer Laurent Blanc zittern, ehe er das EM-Ticket in der Hand hatte. Ein Elfmetertor von Samir Nasri von Manchester City in der Schlussphase rettete den Franzosen ein 1:1 im Endspiel der Qualifikationsgruppe D gegen Bosnien-Herzegowina und damit Platz eins.

Blanc, Europameister von 2000, sprach danach von «Genugtuung» - wohlwissend, dass sein Projekt Neuaufbau nach der WM-Blamage 2010 beim Verpassen der EURO gewaltig ins Wanken geraten wäre. Der 46-Jährige, als Abwehrchef einst als «Le President» geadelt, schraubte die Erwartungen zwei Jahre nach der Schande von Südafrika denn auch deutlich herunter.

«Die Leute wollen, dass wir in nur 15 Monaten ein tolles Team mit tollen Spielern haben und spielen wie die Niederlande, Spanien oder Deutschland. Das ist unmöglich», sagte Blanc, der nach der WM 2010 das schwere Erbe von Raymond Domenech angetreten hatte. «Wir haben es immer wieder gesagt: Es braucht Zeit. Du kannst die Qualität des Spiels oder der Mannschaft nicht im Supermarkt kaufen.»

Trotz der Erfolgsserie seit September 2010, die nach zwei Pleiten zum Start von Blancs Amtszeit begann, mit Siegen gegen Brasilien (1:0) und in England (2:1) ist die Equipe Tricolore noch weit entfernt von einstiger Größe. Bezeichnend die Bilanz in der EM-Qualifikation: Nur ein einziges Mal - beim 3:0 gegen Albanien - schossen die Franzosen mehr als zwei Tore. Die Quittung: Ribery und Co. liegen in der FIFA-Weltrangliste nur auf Platz 15 und bei der EM-Auslosung in Topf vier.

Es droht in Polen und der Ukraine also wieder das, was die französischen Fans schon aus den letzten internationalen Turnieren kennen - das Aus nach der Vorrunde. Seit der WM 2006, als sie im letzten Spiel von Zinedine Zidane das Finale in Berlin verloren, haben die Blauen die erste Runde nicht mehr überstanden.

Der Tiefpunkt war Südafrika, als nach dem Rauswurf von Nicolas Anelka die Spieler in einen Streik traten und in der Heimat eine Welle der Empörung auslösten. «Diese Narbe wird ewig bleiben», sagte Blanc. Auch wenn im ersten Spiel seiner Amtszeit alle WM-Versager zuschauen mussten, wurden sie danach begnadigt. «Wir hätten sagen können: Die Leute wollen sie alle nicht mehr sehen, also ist es vorbei. Aber nach drei Niederlagen hätten die Leute geschrien: Wir wollen eine Mannschaft, die gewinnt.»

So sind Ribery, Abidal, Patrice Evra oder Florent Malouda weiter dabei. Dennoch hat Blanc den Neuaufbau eingeleitet und Spieler wie Mittelfeldmann Nasri oder die Stürmer Karim Benzema von Real Madrid und Loic Remy von Olympique Marseille zu neuen Fixpunkten gemacht. Das hat ihm immerhin ein Lob seines ehemaligen Teamkollegen Zidane eingebracht: «Man erwartet von ihm einen Aufbau in unglaublicher Geschwindigkeit. Aber das macht er nicht schlecht.» (sid/abendblatt.de)