Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gilt als einer der Topfavoriten auf den Gewinn des EM-Titels - das unterstrich sie zuletzt eindrucksvoll.

MÜNCHEN. Die Zeiten, in denen einer deutschen Nationalmannschaft ausschließlich Tugenden wie Kampf, Einsatz und Laufbereitschaft zugeschrieben wurden, sind längst vorbei. Inzwischen sind aus den «Rumpelfüßlern» von einst «Zauber-Fußballer» wie Mesut Özil oder Mario Götze geworden. Taktisch und spielerisch gehört Deutschland zu den Top-Nationen auf der Welt. Kein Wunder, dass das Team von Bundestrainer Joachim Löw bei der EURO 2012 in Polen und der Ukraine zum engsten Favoritenkreis gezählt wird.

Löw und sein Team wehren sich nicht gegen die hohen Erwartungen. Vielmehr gehen sie mit ihren Ambitionen, erstmals seit dem EM-Triumph 1996 wieder einen Titel holen zu wollen, sehr offensiv um. «Wir wollen unbedingt Europameister werden», sagt der Bundestrainer. «Für uns zählt nur der Titel», betont auch Kapitän Philipp Lahm.

Auf diesen Titel sind seit dem verlorenen EM-Finale gegen Spanien 2008 und dem Halbfinal-Aus bei der WM 2010 erneut gegen die Iberer alle Anstrengungen ausgerichtet. Und die Maßnahmen von Löw scheinen sich voll auszuzahlen. Mit zehn Siegen marschierte die DFB-Auswahl glanzvoll durch die EM-Qualifikation. Zudem setzte das junge deutsche Team durch Erfolge im August gegen Rekordweltmeister Brasilien (3:2) und im November gegen Vize-Weltmeister Niederlande (3:0) deutliche Ausrufezeichen.

«Deutschland und Spanien sind derzeit den anderen Ländern Europas meilenweit voraus. Beide Nationalmannschaften spielen einfach konstant auf einem anderen Niveau. Und damit sind beide für mich auch die eindeutigen Favoriten bei der EM 2012», betont «Kaiser» Franz Beckenbauer.

Dass sein Team derzeit derart dominant auftritt, überrascht Löw nicht. «Wir haben Jahre darauf hingearbeitet. Es war unser Ziel, besser und konstanter zu werden. Man kann heute die guten Mannschaften nur schlagen, wenn man spielerisch besser wird, nicht mit Aggressivität», sagt er.

Auch taktisch wird das Löw-Team längst den allerhöchsten Ansprüchen gerecht. Der Ansatz sei «immer sehr offensiv. Wir wollen ständig nach vorne spielen, agieren, aktiv sein. Mir ist ein 4:2 lieber als ein 1:0», erklärt der Bundestrainer, der in seiner Amtszeit seit 2006 bisher 50 Neulinge einsetzte.

Die Konkurrenz ist vom neuen Fußball-Deutschland auf jeden Fall beeindruckt. «Deutschland ist unglaublich stark beim Umschalten. Das konnten sie früher schon, aber jetzt können sie auch Fußball spielen», lobte zuletzt Oranje-Coach Bert van Marwijk nach dem 0:3 in Hamburg: «Sie haben viel mehr Potenzial als wir.» Insbesondere im Mittelfeld hat Löw ein Überangebot an herausragenden Spielern wie Özil, Götze, Thomas Müller, Toni Kroos, Lukas Podolski, Sami Khedira, Andre Schürrle, Marco Reus oder Bastian Schweinsteiger.

Da der Bundestrainer grundsätzlich auf ein System mit nur einem Stürmer setzt, hat er jedoch auch im Angriff ein Luxusproblem. In Mario Gomez und Miroslav Klose bieten sich zwei absolute Top-Torjäger für den einen Platz an. Im Moment scheint Italien-Legionär Klose von Lazio Rom angesichts seiner unglaublichen Quote in der Nationalmannschaft - 63 Treffer in 113 Länderspielen - einen Tick vor seinem Kontrahenten von Bayern München zu sein.

Dass die deutsche Nationalmannschaft derart positive Schlagzeilen schreibt, hat für Teammanager Oliver Bierhoff vor allem einen Grund: Und der heißt Joachim Löw. «Das ist einmalig, was er leistet. Er weiß, was er will», lobte Bierhoff zuletzt den Bundestrainer angesichts dessen 75. Länderspiels: «Er schafft es, sich trotz des Rummels auf das Wesentliche zu konzentrieren.»

Mit aktuell 2,25 Punkten ist Löw schon jetzt punktemäßig der erfolgreichste Bundestrainer/Teamchef der DFB-Geschichte. Was im Gegensatz zu einem Franz Beckenbauer (Weltmeister 1990), Helmut Schön (WM 1974/EM 1972), Sepp Herberger (WM 1954), Berti Vogts (EM 1996) und Jupp Derwall (EM 1980) aber noch fehlt ist ein Titel - doch der soll 2012 folgen. (sid/abendblatt.de)