Das 0:3 gegen Deutschland in Hamburg hat Vize-Weltmeister Niederlande hart getroffen. Auch Bondscoach Bert van Marwijk war enttäuscht.

KÖLN/AMSTERDAM. Der erste Schock saß tief. «Das war ein peinliches Spiel für uns. Das tat weh», sagte Bert van Marwijk nach dem 0:3 von Vize-Weltmeister Niederlande Mitte November beim Erzrivalen Deutschland. Der Bondscoach brauchte ein paar Tage, um sich zu berappeln. Seitdem geht er wieder behutsamer mit seinen Stars um, weiß aber ganz genau: Die «angetrunkene Blaskapelle ohne Dirigent», wie die Zeitung Volkskrant van Marwijks Elf nach der Schmach von Hamburg nannte, muss für die EM 2012 in Polen und der Ukraine ihren Takt wiederfinden.

Bis dahin übt sich van Marwijk in Zurückhaltung und übergibt die EM-Favoritenrolle großzügig an die DFB-Elf. «Deutschland hat in Hamburg ohne Bastian Schweinsteiger und Philipp Lahm gespielt, und trotzdem besaß die Mannschaft noch ein riesiges Potenzial. Wenn man sich dieses Spiel anschaut, ist Deutschland einer der größten EM-Favoriten», sagte van Marwijk. Der ehemalige Trainer von Borussia Dortmund behauptet, seine Ausfälle - in Hamburg waren es Arjen Robben, Robin van Persie oder Rafael van der Vaart - nicht in «deutscher» Qualität ersetzen zu können: «Bei uns ist die Decke dünner.»

Dass van Marwijk auf Understatement macht, ist nicht neu. Bei der WM in Südafrika sah er die Elftal ab dem Viertelfinale konsequent in der Außenseiterrolle, und am Ende stand dennoch fast der Titel. Nach dem 0:1 nach Verlängerung gegen den Topfavoriten Spanien im Endspiel überwog bei Oranje nach der ersten Enttäuschung schnell der Stolz. Mit derselben Politik und zurückhaltend formulierten Ambitionen geht van Marwijk nun das Projekt EURO in Polen und der Ukraine an.

Tatsächlich verfügt er, wenn es läuft, über ein titelreifes Team. Die Elftal um Kapitän und Ex-Bayern-Profi Mark van Bommel (AC Mailand) ist eingespielt, unberechenbar und jederzeit in der Lage, den Gegner zu beherrschen. Mit van Bommel, Wesley Snejder (Inter Mailand), Nigel de Jong (Manchester City) und dem ehemaligen Hamburger van der Vaart (Tottenham Hotspur) steht dem Bondscoach ein Weltklasse-Mittelfeld zur Verfügung. Und auch die Offensive mit Bayern-Superstar Robben, Dirk Kuyt (FC Liverpool) und dem Schalker Klaas-Jan Huntelaar braucht keinen Vergleich zu scheuen.

Doch selbst der «Hunter», in der Qualifikation zur EM mit zwölf Toren erfolgreichster Torjäger unter allen Teams, übt sich seit der Pleite von Hamburg in Zurückhaltung. «Wer uns und Brasilien schlägt, der kann den Pott gewinnen», sagte er mit Blick auf das DFB-Team.

Am 29. Februar kann Oranje im letzten Spiel vor der Nominierung des EM-Kaders beweisen, dass das 0:3 beim Erzrivalen und auch das enttäuschende 0:0 gegen die Schweiz drei Tage zuvor nur Ausrutscher waren. Der Test könnte härter kaum sein: Gegner sind im Londoner Wembley-Stadion die zuletzt überzeugenden Engländer.

In der unmittelbaren EM-Vorbereitung folgt unter anderem am 22. Mai noch das Testspiel in München beim FC Bayern, das nach endlosen Querelen um eine Verletzung von Robben vereinbart worden war. Bis dahin sollte der Europameister von 1988 und dreimalige Vize-Weltmeister - das weiß auch van Marwijk - schon wieder besser eingespielt sein als eine «angetrunkene Blaskapelle».