Die “goldene Generation“ Tschechiens ist passé, die EM-Teilnahme wurde erst im Nachsitzen geschafft. Die “Narodny Tym“ befindet sich im Umbruch.

BERLIN/PRAG. Die Qualifikation im Nachsitzen feierten die tschechischen Fußballer bereits wie den EM-Titel: Als die Spieler nach dem 1:0-Erfolg im Play-off-Rückspiel gegen Montenegro in Prag aus dem Flieger stiegen, waren den feierwütigen Fußballer die «Strapazen» der Rückreise vom entscheidenden Qualifikationsspiel anzusehen. Nach der feuchtfröhlichen Party in luftiger Höhe hingen bei einigen Spielern die Maßanzüge nur noch in Fetzen herunter. Angeblich sollen sie sich die Kleidung im Überschwang gegenseitig vom Leib gerissen haben.

Der tschechische Verband war vom beschämenden Bild der «Narodny Tym» allerdings «not amused» und verurteilte das gesamte Team zu einer Strafe von insgesamt zwei Millionen Kronen (etwa 80.000 Euro). Zumal es angeblich auch unter der Gürtellinie angesiedelte Schmährufe gegen den ehemaligen Nationalspieler Radek Drulak gegeben haben soll. Immerhin: Die Mannschaft entschuldigte sich für ihr Verhalten. «Emotionen und Euphorie haben über den Verstand gesiegt», sagte der Mannschaftskapitän Tomas Rosicky.

Der ehemalige Dortmunder steht sinnbildlich für großen Hoffnungen der tschechischen Fußballfans in der Vergangenheit: Rosicky ist der letzte Vertreter der «goldenen Generation», die ab Mitte der 90er fast ein Jahrzehnt im europäischen Fußball mitmischte - ohne jedoch einen Titel zu gewinnen. Pavel Nedved, Karel Poborsky, Vladimir Smicer oder Jan Koller - trainiert von Karel Brückner: Große Namen, denen ein großer Erfolg aber verwehrt blieb.

1996 verlor man im EM-Finale an Deutschland, 2004 scheiterte das favorisierte Team im Halbfinale am Überraschungssieger Griechenland. Zuvor hatte man in der Gruppenphase sogar mit einer B-Elf die deutschen «Rumpelfußballer» unter Teamchef Erich Ribbeck aus dem Turnier geworfen.

Doch während es für die DFB-Auswahl nach dem Tiefpunkt 2004 eigentlich immer stetig nach oben ging, verlief die Leistungskurve Tschechiens entgegengesetzt. Bei der WM 2006 scheitere das Team genauso wie bei der EM 2008 in der Vorrunde - viele Stars traten ab, die «goldene Generation war Geschichte. Die WM-Qualifikation 2010 wurde zum Desaster. Der »kleine Bruder« Slowakei schaffte die Teilnahme, Tschechien nicht.

Seitdem erleben die tschechischen Fußballfans ein Auf und Ab, mittlerweile stehen die Nachfolger aber in den Startlöchern. Zuletzt waren in Jaroslav Drobny (Hamburger SV), Zdenek Pospech (FSV Mainz 05), Roman Hubnik (Hertha BSC Berlin) und Michal Kadlec (Bayer Leverkusen) sowie Tomas Pekhart (1. FC Nürnberg) fünf Bundesligaprofis Teil des Kaders von Trainer Michal Bilek.

»Wir werden alle nicht jünger. Ich denke, dass wir die Probleme haben, da junge Spieler nicht konsequent eingebaut wurden. Jetzt ist es schwer, diese Fehler zu korrigieren«, hatte Kadlec bereits im vergangenen Jahr gesagt. Aber immerhin: Gegen Montenegro (2:0/1:0) schaffte das Team die EM-Quali. Auch wenn im Jahr 2011 gerade einmal fünf von zwölf Spielen gewonnen wurden. In der FIFA-Weltrangliste steht Platz 33 zu Buche.

»Die Endrunde ist noch sechs Monate entfernt, wir haben Zeit, daran zu denken. Wir sind froh, zu den besten Mannschaften Europas zu gehören«, sagte Rosicky, mittlerweile beim FC Arsenal unter Vertrag. Und Torhüter Petr Cech vom FC Chelsea ergänzte: »Wir haben in Polen und der Ukraine nichts zu verlieren, denn unser Hauptziel haben wir jetzt erreicht.«