Regisseur fällt für Rest des Jahres aus – „Dem Jupp wird schon was einfallen“ – Hitzfeld: „Bayern-Spiel wird sich ändern“

München. Als die Bayern-Stars am Donnerstag morgen an der Säbener Straße die Beine nach dem 3:2-Triumph gegen den SSC Neapel lockerten, lag Bastian Schweinsteiger frisch operiert im Krankenhausbett. Noch in der Nacht nach dem Spiel war dem Vizekapitän im Klinikum rechts der Isar von Professor Andreas Imhoff eine Platte am gebrochenen rechten Schlüsselbein eingesetzt worden. Der Mittelfeldregisseur wird dieses Jahr nicht mehr Fußball spielen - der Bayern-Express hat seine Lokomotive verloren.

„Wir sind geschockt, das ist für uns sehr bitter. Er ist ein unglaublich wichtiger Spieler für uns. Der Mittelfeldmotor, der das Tempo vorgibt“, sagte Matchwinner Mario Gomez. Obwohl der Torjäger mit seinem lupenreinen Hattrick (17., 23. und 42.) ein am Ende dramatisches Spiel im Alleingang entschieden hatte, stand danach nur die schwere Verletzung von Schweinsteiger im Mittelpunkt. „Wir müssen das kompensieren“ war die Lieblingsfloskel im Bayern-Lager - aber wie, wusste auf die Schnelle keiner.

„Natürlich schmerzt das sehr, wenn der Spielmacher in überragender Form ausfällt. Aber wir dürfen jetzt nicht lamentieren“, forderte Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge: „Das ist auch eine Qualität, die wir jetzt zeigen müssen. Dem Jupp wird schon was einfallen.“ Erfolgstrainer Jupp Heynckes hatte schon im Moment des Zusammenpralls von Schweinsteiger mit Gökhan Inler („Ich wollte ihm nicht weh tun und sende Gute-Besserungs-Wünsche“) die Stirn gerunzelt, am Tag danach arbeitete er schon an Plan B.

„Bis jetzt konnten wir Verletzungsausfälle immer kompensieren. Ich hoffe, dass uns das wieder gelingt“, sagte Heynckes. Zu denken gab ihm allerdings, dass es nach Schweinsteigers Verletzung einen klaren Bruch im Bayern-Spiel gab. Der „mit besten ersten Hälfte, seitdem ich bei Bayern spiele“ (Kapitän Philipp Lahm) mit wesentlichen Schweinsteiger-Beiträgen zur 3:0-Führung folgte nach dem Verletzungs-Schock das völlig unnötige Zittern in Durchgang zwei.

Ehrenpräsident Franz Beckenbauer sagte: „Sein Ausfall ist schwierig zu kompensieren. Ganz werden sie's nicht schaffen.“ Auch „Sky“-Experte Ottmar Hitzfeld mutmaßte, dass sich „das Bayern-Spiel nach dem Ausfall des entscheidenden Passgebers ändern wird.“ Nicht ganz so pessimistisch blickte Präsident Uli Hoeneß auf die kommenden Wochen. „Den Aufschrei, der momentan durch die Nation geht, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Ein Schlüsselbeinbruch ist noch das positivste, was an der Schulter passieren kann“, sagte der 59-Jährige. Natürlich könne man Schweinsteiger nicht „eins zu eins ersetzen. Aber sechs Wochen lang werden wir das auffangen können.“

Aber wie? Das Problem am Ausfall des Blondschopfs ist, dass es aus der Vergangenheit kaum Erfahrungswerte gibt. Schweinsteiger ist das Herz des Bayern-Spiels und gehörte in den vergangenen Spielzeiten fast in jedem Match zum Stammpersonal. Als er am 5. März 2011 zum letzten Mal in der Bundesliga fehlte, gab es eine 1:3-Pleite bei Hannover 96. Das letzte Spiel in der europäischen Königsklasse ohne Schweinsteiger endete dagegen am 30. März 2010 im Viertelfinale mit einem 2:1-Triumph gegen Manchester United.

Der in überragender Form spielende Toni Kroos ist sicher ein Topkandidat als „Ersatz-Schweini“, aber auch eine Achse mit den sonst fast nie gemeinsam aufgebotenen Luiz Gustavo und Anatolij Timoschtschuk eine denkbare Variante. Mario Gomez macht ein bisschen Hoffnung, dass „wir die Verletzung von Arjen Robben ja auch über so lange Zeit gut weggesteckt haben.“ Der Niederländer dürfte in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen und die Personalprobleme bei den Bayern mildern.

Glück im Unglück ist außerdem, dass sich der Rekordmeister durch seine bislang überragenden Spiele ein kleines Polster als Bundesliga-Spitzenreiter geschaffen hat und in der Champions League das Achtelfinal-Ticket fast sicher in der Tasche weiß. Ein Remis beim Heimspiel gegen das punktlose Schlusslicht FC Villarreal am 22. Juni reicht.

Aber Bayern will auch ohne Schweinsteiger mehr, nämlich den Gruppensieg vor Manchester City. „Es ist besser, Erster zu werden. Schließlich wollen wir ins Finale“, sagte Gomez. Das Champions-League-Endspiel findet am 19. Mai 2012 schließlich im eigenen Stadion statt. Laut Gomez natürlich mit Bastian Schweinsteiger als Dirigenten: „Momentan ist es für ihn eine Scheißsituation. Aber er wird mindestens genauso stark zurückkommen.“