Der Triathlon-Olympiasieger über Krisen und deutsche Tugenden

Düsseldorf. Für Triathlon-Olympiasieger Jan Frodeno steht der Saison-Höhepunkt an. Am Sonntag in London kämpft der 29-Jährige erstmals um ein Ticket für die Olympischen Spiele 2012 an gleicher Stätte. Im Interview mit dapd-Korrespondent Andreas Reiners spricht Frodeno über die aktuelle Saison, Krisen und deutsche Tugenden.

Am Sonntag steht nach einer bislang eher verkorksten Saison Ihr selbst erklärter Saisonhöhepunkt mit der Olympia-Qualifikation an. Wie optimistisch sind Sie?

Frodeno: Letztes Jahr hätte ich mir das vielleicht etwas anders ausgemalt. Ich weiß, dass ich derjenige bin, der sich auf einen Tag bestens vorbereiten kann. Ich kenne meinen Körper gut genug, habe viel Erfahrung, um mit der Situation umzugehen. Deswegen bin ich optimistisch, dass ich meine Form pünktlich an den Start bringe.

Machen Sie sich Gedanken darüber, dass es mit dem Olympia-Ticket nicht klappen könnte?

Frodeno: Daran denke ich ehrlicherweise gar nicht. Ich habe jetzt monatelang mit Angst trainiert, weil ich Angst hatte, meinen Körper in ein Loch zu steuern. Da habe ich gemerkt, dass Angst etwas Hinderliches ist. Ich bin optimistisch, gehe voller Selbstvertrauen in das Rennen rein und danach will ich schauen wie mein Plan dann weitergeht. Momentan steht mein Plan bis zum 7. August.

Die WM-Serie lief nicht nach Plan. Schauen Sie am Sonntag erstmal nur auf sich oder auch auf die Konkurrenz?

Frodeno: Ich bin an dem Punkt angelangt, wo ich wieder auf die internationale Konkurrenz schaue, wo es für mich darum geht, möglichst weit vorne zu landen. Und so werde ich das Rennen auch angehen. Ich werde mich nicht darauf versteifen, unbedingt bester Deutscher zu sein, sondern agieren, wie ich es immer getan habe um möglichst weit vorne mitzumischen.

Wie sieht denn ein normaler Trainingstag von Ihnen aus?

Frodeno: Das geht los morgens um 7 Uhr mit fünf bis sechs Kilometern schwimmen. Dann gibt es einen Auftaktlauf gegen 11 Uhr, das sind 50 Minuten einlaufen und technische Übungen auf der Bahn, das sogenannte Lauf-ABC. Gegen 16 Uhr geht es dann zum Rad fahren. Dann folgt ein Koppeltraining, also direkt nach dem Rad fahren loslaufen.

Haben Sie dann überhaupt noch Freizeit?

Frodeno: Sehr begrenzt. Wenn ich dann nach Hause komme, bin ich nicht top motiviert zu sagen, 'jetzt gehe ich nochmal schnell einen Kaffee trinken und zu ein paar Freunden'. Ich bin dann doch recht groggy und geschafft und mein Privatleben verlegt sich dann meist auf die Nebensaison.

Und wie entspannen sie dann?

Frodeno: Gerade in der Zeit dazwischen. Mit Mentaltraining, mal auf die Couch und ein wenig Fernsehen gucken. Leidenschaftlich gerne koche ich, da kann ich am besten entspannen.

Sie hatten im vergangenen Jahr das Burnout-Syndrom. Was hat das für Sie verändert?

Frodeno: Ich habe im Prinzip gelernt, dass wir Ausdauersportler vom Training leben, und das mit allzu vielen Terminen zu koordinieren ist schwierig. Ein Privatleben funktioniert genauso wenig mit irgendwelchen Verpflichtungen. Der Körper muss sich erholen, und bei solch einer extremen Belastung darf man das nicht unterschätzen. Und das hat irgendwann psychologische Auswirkungen.

Hat es Ihnen geholfen, dass sie nicht mehr so sehr im Mittelpunkt stehen wie nach Ihrem Olympiasieg?

Frodeno: Ich habe für mich einfach gelernt, Nein zu sagen und nur die Termine wahrzunehmen, die mir absolut liegen. Aber nach wie vor sind die Möglichkeiten da, viel zu unternehmen. Ich habe für mich erkannt, was für mich am allerwichtigsten ist. Das sind nun mal mein Sport und mein Training. Das steht inzwischen wieder an erste Stelle.

Wie halten sie während eines Wettkampfs die Frische hoch?

Frodeno: Das ist dieser innere Dialog, den jeder Ausdauersportler kennt. Den lernt man über Jahre anzupassen und positiv zu denken. Natürlich schießt mir dann auch mal ein negativer Gedanke durch den Kopf. Inzwischen weiß ich aber ganz gut, den in etwas Positives umzulenken.

Wie sieht so ein innerer Dialog im Speziellen aus?

Frodeno: Ich habe Szenen und Bilder im Kopf, die mich unheimlich motivieren. Sei es ein olympischer 10.000-Meter-Endkampf oder der berühmte Goldlauf von Dieter Baumann von 1992, aber auch Filmszenen aus bekannten Sportfilmen. Das habe ich für mich entdeckt, dass ich mich damit richtig gut pushen kann. Natürlich auch viel mit Musik, die ich für mich aufrufe. Zum Beispiel mit dem Soundtrack von Rocky.

Sie sind in Südafrika aufgewachsen. Was ist denn an Ihnen typisch deutsch?

Frodeno: Ich bin im Kopf und Herzen Deutscher. Viele meiner Tugenden, die im Sport notwendig sind, sind deutsche wie Zielstrebigkeit, aber auch der gewisse Ehrgeiz, Sachen zu erreichen. Und südafrikanisch ist die Lockerheit, die hier im Lande ein wenig zu kurz kommt

Sie konnten als Kind gar nicht schwimmen. Wie sind Sie dann ausgerechnet zum Triathlon gekommen?

Frodeno: Als Kind habe ich trotzdem Wellenreiten gemacht. So bin ich dann zum Schwimmen gekommen, weil meiner Mutter das irgendwann zu unheimlich war. Vom Schwimmen kam ich dann zum Rettungsschwimmen, das ist bereits etwas relativ Vielseitiges. Irgendwann hat mir jemand gesagt, dass es so etwas gibt und warum ich das nicht probieren will und dann hab ich mich für eine Sprintdistanz angemeldet und war dann gleich infiziert.