Während die Lokalmatadoren Julian Reister und Tobias Kamke auf Erfolge am Rothenbaum hoffen, geht Mischa Zverev nicht an den Start.
Hamburg. Wenn am Sonnabend (11 Uhr) am Rothenbaum die Qualifikation für das Herrentennis-Turnier beginnt, wird Mischa Zverev aus der Ferne zuschauen. Der einzige Hamburger auf der ATP-Tour hat auf sein Heimspiel verzichtet, nachdem ihm Turnierdirektor Michael Stich keine Wildcard für das Hauptfeld zugeteilt hatte. Stattdessen wird der 23-Jährige am Sonntag für den Rochusclub Düsseldorf in der Bundesliga in Amberg und von Montag an bei einem Turnier der unterklassigen Challenger-Serie im italienischen Orbetello aufschlagen.
„Die Qualifikation in Hamburg ist sehr gut besetzt, und da ich Matchpraxis brauche, um fit zu werden und Punkte für die Weltrangliste zu sammeln, habe ich mich gegen den Rothenbaum entschieden“, sagt Zverev. Vor zwei Jahren spielte er als Top-50-Spieler noch im Daviscup-Viertelfinale mit Deutschland in Spanien, derzeit steht der gebürtige Moskauer an Position 104 der Weltrangliste und muss sich auf kleinen Turnieren wieder für die Hauptfelder der Spitzenevents anbieten. „Ich habe am Rothenbaum leider nie gut gespielt, deshalb musste ich aus sportlichen Gesichtspunkten so entscheiden“, sagt er.
Seit Ende 2010 plagten Zverev Probleme am Wadenbeinköpfchen, die, wie sich erst einige Monate später herausstellte, ihre Ursache in einem Bandscheibenvorfall hatten. Die Folge waren ständige Rückschläge, er musste bei Turnieren regelmäßig aufgeben, was in Fachkreisen die Diskussionen über seinen generellen Fitnesslevel verschärfte. Seit Ende Mai ist er jedoch schmerzfrei. „Jetzt geht es darum, Praxis zu sammeln und wieder anzugreifen“, sagt er. Natürlich hätte er sich über eine Wildcard in Hamburg gefreut. „Aber Herr Stich hat anders entschieden, und das muss ich akzeptieren.“
Während der Hamburger also mit Wehmut aus Italien zuschaut, freuen sich die anderen beiden Norddeutschen unbändig auf ihr Heimspiel. Der Reinbeker Julian Reister und der Lübecker Tobias Kamke hatten 2010 gemeinsam ihr Rothenbaum-Debüt gefeiert und stehen auch in diesem Jahr dank Wildcards im Hauptfeld. Und zumindest Kamke hegt dabei große Ambitionen. „Der Rothenbaum ist nach Wimbledon mein Lieblingsturnier. Warum sollte mir nicht auch einmal so etwas gelingen wie Andrej Golubjew?“, fragt er. Der Kasache hatte im vergangenen Jahr völlig überraschend in Hamburg triumphiert.
Tatsächlich hat Kamke seit dem letzten Auftritt am Rothenbaum die beste Entwicklung des Trios genommen. Nach der Saison 2010 wurde er von der ATP als „Newcomer des Jahres“ ausgezeichnet, in der Weltrangliste steht er derzeit an Position 88 und damit zwölf Ränge besser als zum gleichen Zeitraum des Vorjahres. Damals scheiterte er am Rothenbaum in Runde eins. „Ich wäre aber nicht zufrieden, wenn ich dieses Jahr die erste Runde überstehe. Ich will schon deutlich weiter kommen“, sagt er. Das nötige Selbstvertrauen brachte ihm die Halbfinalteilnahme in Newport (USA) in der Vorwoche.
Reister dagegen hatte zu Saisonbeginn mit einer hartnäckigen Grippe zu kämpfen, zudem warfen ihn im Juni Schulterprobleme zurück. „Ich fühle mich jetzt körperlich gut, laufe aber dem Trainings- und Matchrückstand immer noch hinterher“, sagt der Weltranglisten-156., der hofft, dass Hamburg nun wie im Vorjahr eine Initialzündung für eine starke zweite Saisonhälfte wird. „Die Achtelfinalteilnahme 2010 war wichtig für mich, weil ich dadurch gelernt habe, mit Medienrummel umzugehen. Ich fühle mich deshalb reifer als im letzten Jahr“, sagt er.
Weil sie ihre Pläne, Wohnungen in Hamburg zu beziehen, seit nunmehr einem Jahr nicht umgesetzt haben, werden die beiden 25-Jährigen auch in diesem Jahr wieder im Turnierhotel übernachten. „Das ist einfach angenehmer, weil man so die Turnierroutine entwickelt“, sagen die beiden Kumpels, die sich mit Ralph Grambow auch den Trainer teilen. Zu dritt werden sie die letzten Tage nutzen, um sich auf ihr Heimspiel vorzubereiten. Genießen werden sie es nur, wenn der Erfolg stimmt. Dabeisein ist für Kamke und Reister nämlich längst nicht mehr alles. (bj)