Der Bayern-Präsident ist enttäuscht, dass der DFB vor den “unseriösen Machenschaften“ der Fifa die Augen verschließt. Zwanziger wehrt sich.

Frankfurt. Bayern-Präsident Uli Hoeneß hat die Abteilung "Attacke" wiedergefunden, nachdem es zuletzt eher ruhig um den ehemaligen Lautsprecher der Bundesliga geworden ist. Hoeneß hat DFB-Boss Theo Zwanziger aufgrund der Unterstützung für den skandalumwitterten Fifa-Präsidenten Joseph Blatter attackiert. «Die Haltung des DFB in dieser Sache stört mich. Herr Zwanziger ließ keinen Zweifel daran, dass man Blatter wählen wird. Ganz nach dem Motto: Augen zu und durch. Ich bin enttäuscht, dass der DFB vor diesen unseriösen Machenschaften die Augen verschließt und nicht gegen Blatter Druck macht. Wegschauen heißt auch akzeptieren. Wer das tut, ist mitschuldig», sagte er der Sport Bild.

Schon seit Tagen gibt es Differenzen zwischen den Protagonisten der Bundesliga und dem Deutschen Fußball-Bund (DFB). Wegen Blatter droht nun sogar eine Zerreißprobe. Auf dem 61. FIFA-Kongress in Zürich hatte sich der DFB um Boss Zwanziger trotz der anhaltenden Korruptionsvorwürfe gegen Blatter und das 24-köpfige Exekutivkomitee auf die Seite des Schweizers geschlagen und für die Wiederwahl gestimmt. Hoeneß ist allerdings der festen Überzeugung, dass Blatter die Amtszeit bis 2015 nicht überstehen und zuvor von UEFA-Präsident Michel Platini abgelöst wird.

Hoeneß sieht in dem Franzosen Michel Platini den idealen Nachfolger Blatters. «Die Uhr von Sepp Blatter und seiner Combo tickt. Es ist für mich keine Frage 'ob', sondern nur noch 'wann' er seinen Posten räumen muss. Da ist ein Prozess im Gang, der nicht mehr aufzuhalten ist», sagte Hoeneß. «Ich hätte ein gutes Gefühl, wenn er bereit wäre, die Position als Fifa-Präsident zu übernehmen. Ich bin hundertprozentig sicher, wenn Platini morgen zur Wahl antreten würde, dass er gewählt würde», sagte Hoeneß.

Der Boss des DFB reagierte nciht gerade entzückt auf die Vorwürfe. «Was mich in der Tat etwas wundert, ist, dass ausgerechnet Hoeneß erneut öffentlich Kritik übt, ohne vorher einmal persönlich mit mir gesprochen zu haben. Er war ja schon bei der WM in Südafrika ein polarisierender, öffentlicher Kritiker, recht hat er damit nicht behalten und nicht unbedingt an Ansehen gewonnen», sagte Zwanziger und unterstrich: «Niemand beim DFB hat die Augen verschlossen.»

Vielmehr will Zwanziger bei einem Runden Tisch am 21. Juni mit Vertretern des Verbandes und der Deutschen Fußball Liga (DFL) diskutieren, wie man die FIFA davon überzeugen kann, die doppelte WM-Vergabe an Russland (2018) und Katar (2022) zu überprüfen. Bei der Vergabe der WM an Katar sollen Beträge in zweistelliger Millionenhöhe in die Taschen einzelner Exko-Mitglieder geflossen sein, auch über Bestechungsgelder vor dem Votum für Russland wird hinter den Kulissen weiter getuschelt.

Hoeneß ist deshalb der Überzeugung, dass in Kürze weitere Enthüllungen den ohnehin schon angeschlagenen Blatter in die Bredouille bringen werden. «Das war erst der Anfang der Geschichte. Das war doch alles erst die Spitze des Eisbergs. Ich bin überzeugt, dass nun alle Missstände scheibchenweise ans Licht kommen werden. Nachdem wichtige FIFA-Funktionäre wie Jack Warner, Chuck Blazer, Bin Hammam und viele andere involviert sind, werden noch Dinge rauskommen, die wir uns noch gar nicht vorstellen können», sagte Hoeneß.

Auch bei den übrigen Bundesligisten wächst die Überzeugung, dass es Blatter und seinen Exko-Kollegen an Integrität mangelt. «Es ist schon auffällig, wie viele Skandale im Exekutivkomitee und damit im Umfeld von Blatter offenbar stattgefunden haben. Ich habe daher meine Zweifel, ob mit Blatter die notwendigen Reformen des Systems eingeleitet werden können», sagte Wolfsburgs Geschäftsführer Thomas Röttgermann in einer Sport-Bild-Umfrage.

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Mit radikalen Reformen will Verbandschef Joseph Blatter seine taumelnde Fifa vor dem Untergang retten. „Ich bin ein Kapitän in turbulenten Zeiten. Wir haben Schläge eingesteckt und ich persönlich einige Ohrfeigen“, sagte der 75 Jahre alte Schweizer am Mittwoch in seiner mit Spannung erwarteten Grundsatzrede auf dem Kongress des Fußball-Weltverbandes in Zürich. Der Antrag seiner englischen Kritiker, die Wahl des Präsidenten zu verschieben, war zuvor mit klarer Mehrheit abgeschmettert worden. Der erneuten Inthronisierung des angeschlagenen Königs stand nichts mehr im Weg.

„Unser Schiff ist in Schieflage geraten, vielleicht hat es sogar etwas Wasser. Wir müssen alles daran setzen, dass wir auf Kurs bleiben und der Präsident ist dafür bereit“, sagte Blatter in seiner kämpferischen Ansprache zu den Delegierten der 208 Mitgliedsverbände. Auf dem riesigen Podium im Hallenstadion auf dem Züricher Messegelände wirkte der kleine Walliser fast ein wenig verloren, doch lange nicht mehr so angespannt wie noch in den vergangenen Tagen, als er eine Pressekonferenz erbost abbrach und aus dem Saal stürmte.

All die Vorwürfe der Korruption gegen seine Person, gegen hochrangige Mitglieder des Exekutivkomitees, all die Gerüchte um Bestechung bei der Vergabe der WM 2022 an Katar lasteten wie Bleigewichte auf den Schultern des kleinen Mannes. Kritik von Sponsoren, der Öffentlichkeit, einiger Regierungen und die Rufe nach einer kompletten personellen Erneuerung in der schlimmsten Krise der 107-jährigen Fifa-Geschichte hatten Blatter geschwächt.

Am zweiten Kongresstag aber präsentierte sich der ehemalige Mittelstürmer entschlossen und überraschte endlich mit dem einen oder anderen Reformvorschlag. „Ich möchte, dass in Zukunft die Organisation der WM vom Kongress der Fifa beschlossen wird“, sagte er. Also nicht mehr im obskuren Hinterzimmer-Gemauschel des 24-köpfigen Exekutivkomitees, das immer wieder von Korruptionsvorwürfen erschüttert wird und deren Mitglieder Mohamed bin Hammam und Jack Warner zuletzt vorläufig suspendiert wurden. „Es geht jetzt darum, radikale Schritte zu unternehmen und nicht nur kleine kosmetische Verbesserungen“, sagte Blatter.

Weitere Punkte auf der Blatterschen Reformagenda: im Kampf gegen Korruption und Bestechung eine „Lösungskommission“, eine Art Rat der Weisen mit Experten aus verschiedenen Bereichen – allerdings aus der Fußball-Familie, wie es Blatter nannte. Ob dieser Schritt ausreicht, darf nach den jüngsten Skandalen und der Schlammschlacht um Posten, WM-Vergaben oder Geldübergaben ernsthaft bezweifelt werden.

Eine externe Untersuchungskommission, wie sie das Internationale Olympische Komitee nach dem 1998 bekanntgewordenen Skandal um die Vergabe der Olympischen Winterspiele an Salt Lake City 2002 ins Leben gerufen hatte, wäre ein echter Blatter-Befreiungsschlag gewesen. Offen bleibt, wie sich diese Kommission von der Disziplinar- und Ethikkommission abgrenzen und was genau sie untersuchen soll.

Auch die zuletzt wegen der nicht enden wollenden Korruptionsanschuldigungen überarbeitete Ethikkommission soll „gestärkt werden“, wie es Blatter recht vage formulierte. Die Mitglieder des Gremiums sollen nach des Präsidenten Willen künftig ebenfalls vom Kongress gewählt werden. „Die Ethikkommission hat von der Null-Toleranz gesprochen. Aber reicht es, darüber zu sprechen? Nein, es müssen Taten folgen“, rief der Verbandsboss in das Auditorium. „Es muss ein für allemal Schluss sein mit diesen hässlichen Kritiken, der Ruf von uns allen steht auf dem Spiel.“

Die kleine Gruppe der Demonstranten vor dem Gebäude hatte sich da längst verzogen. Im strömenden Regen hatte etwa ein Dutzend Menschen am Morgen Plakate in die Höhe gehalten mit der Aufschrift „Play fair Fifa“ oder „Rote Karte für die Fifa“. Auf einem kleinen Plakat stand: „Sepp verpiss dich, keiner vermisst dich.“ Das wiederum sahen einige Vertreter vor allem kleiner Verbände gänzlich anders.

In einem flammenden Appell richtete sich der Präsident Haitis an den ganzen Saal. Mit bewegter Stimme sagte Yves Jean-Bart: „Wir glauben, dass dieser Mann, der da sitzt, die Kompetenz mitbringt, die Vision mitbringt. Herr Blatter kann der Fifa den Impuls zurückgeben, der nötig ist, um unsere Probleme zu lösen.“ (sid/dpa/abendblatt.de)