Vor seinem WM-Kampf beschreibt Boxweltmeister Vitali Klitschko im Abendblatt seine Gefühle für Hamburg und die Hamburger.

Hamburg. Mehr als 14 Jahre ist es her, dass ich zum ersten Mal auf dem Flughafen Fuhlsbüttel gelandet bin. Es war August 1996, mein Bruder Wladimir war in Atlanta Olympiasieger geworden, und wir standen kurz davor, unsere Profikarrieren beim Universum-Stall zu beginnen. Ein Bekannter hat uns abgeholt und eine Stadtrundfahrt mit uns gemacht. Ich erinnere mich noch, dass ich mich gewundert habe, wie grün und sauber eine Großstadt sein kann. Am meisten aber war ich beeindruckt von den vielen Boxplakaten, die überall hingen. Das war Werbung für den Kampf zwischen Dariusz Michalczewski und Graciano Rocchigiani, der am Millerntor stattfinden sollte. Ich dachte nur: So eine boxbegeisterte Stadt, da werden wir uns bestimmt wohlfühlen.

Dass es irgendwann einmal so kommen könnte, dass Plakate mit meinem Gesicht in der Stadt kleben würden, so weit habe ich damals nicht gedacht. Ich habe zwar davon geträumt, auch einmal so große Kämpfe zu machen. Aber dass Hamburg meine zweite Heimat sein würde, die Stadt, in der sich meine Familie zu Hause fühlt wie nirgendwo sonst, das erschien mir damals unendlich fern. Und heute? Heute bin ich unheimlich stolz darauf, dass ich in der größten Halle der Stadt, die es 1996 noch gar nicht gab, einen WM-Kampf bestreiten kann. Das bedeutet mir wirklich unheimlich viel.

An meinen letzten Kampf in Hamburg kann ich mich sehr genau erinnern. Vor allem die Atmosphäre in der Alsterdorfer Sporthalle habe ich nicht vergessen. Es war am 11. Dezember 1999, die zweite Verteidigung des WBO-WM-Titels, den ich damals besaß. Mein Gegner Obed Sullivan ist zur zehnten Runde nicht mehr angetreten, weil er genug hatte. Die Fans haben mich gefeiert, und ich wünsche mir, dass es am Sonnabend, wenn ich in der O2 World gegen Shannon Briggs antrete, wieder Grund zum Feiern gibt.

Die ersten Tage und Wochen in Hamburg waren hart für Wladimir und mich. Es war Herbst, es regnete und war kalt. Wir sprachen kein Deutsch, hatten nach ein paar Nächten im Hotel eine kleine Wohnung ganz in der Nähe des Gyms in der Walddörferstraße bekommen. Zum Essen sind wir in ein griechisches Restaurant gegangen, da haben wir dem Wirt mit Gebärdensprache versucht, unsere Wünsche zu vermitteln. War echt lustig, per Pantomime einen Fisch nachzumachen. Damals haben wir versucht, uns durch Zeitungslektüre die Sprache beizubringen. Und wir sind sehr oft ins Kino gegangen. Der Chef vom Cinemaxx war ein großer Boxfan und hat uns Freikarten für alle Filme geschenkt. Das war natürlich super für uns.

WLADIMIR KLITSCHKO KÄMPFTGEGEN CHISORA

Aus der Anfangszeit haben wir noch immer einige gute Freunde. Eine Dame, die in unserem Mietshaus im dritten Stock gewohnt hat, treffen wir regelmäßig. Ich gehe seit 14 Jahren zum selben Friseur in der Walddörferstraße. Es heißt ja immer, die Hamburger seien reserviert und zurückhaltend. Das stimmt auch, ihre Herzen sind anfangs verschlossen, aber wenn man den Schlüssel findet, dann nehmen sie einen herzlich auf und werden zu echten Freunden. Für mich ist Hamburg meine wichtige zweite Heimat geworden. Ich habe die Hälfte meines Lebens hier verbracht, meine Kinder fühlen sich als Hamburger. Ich liebe es besonders, an der Alster spazieren zu gehen. Und an der Elbe kann ich stundenlang sitzen und den Schiffen zuschauen, wenn sie beladen werden oder einfach vorbeifahren. Das wirkt auf mich beruhigend.

Das Einzige, was mich viele Jahre an Hamburg gestört hat, war das Wetter. Aber in den vergangenen Jahren gab es richtige Sommer und echte Winter. Gerade der letzte Winter, der war richtig sibirisch. Wir haben es genossen, über die zugefrorene Alster zu wandern, die Kinder auf dem Schlitten, dick eingepackt. Das hat mich an meine Kindheit erinnert. Hamburg wird in meinem Herzen immer Heimat bleiben. Auch wenn mal nicht die Sonne scheint.