Nicht nur die Kapitäns-Frage, auch der Kampf um die Nummer eins ist noch nicht entschieden. Das erste Pflichtspiel steigt am 3. September.
Kopenhagen. Nach dem Saison-Auftakt in Dänemark warten auf Joachim Löw in den kommenden knapp drei Wochen einige Probleme. Bis zu den EM-Qualifikationsspielen am 3. September in Belgien und am 7. September gegen Aserbaidschan muss der Bundestrainer wichtige und brisante Entscheidungen treffen. Dabei steht vor allem die Personalie Michael Ballack im Mittelpunkt. Offen ist aber nach der WM in Südafrika auch, wer künftig die Nummer eins im deutschen Tor sein wird.
Die wichtigste Frage dreht sich aber um das Amt des Kapitäns in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Löw will im Machtkampf zwischen dem etatmäßigen Spielführer Ballack und WM-Kapitän Philipp Lahm, die beide am Mittwochabend fehlten, nach der Rückkehr aus Kopenhagen «mit den Beiden ernsthafte und seriöse» Gespräche führen. Ein klares Bekenntnis zu Ballack hatte er vor dem Länderspiel in Dänemark aber erneut vermissen lassen.
Vielmehr heizte er die Spekulationen noch an. «Ich muss mir auch konzeptionell einige Dinge überlegen, wie ich die nächsten zwei, drei oder vier Jahre angehen werde», sagte er. Ballack (33) hatte zuletzt jedoch schon angedeutet, dass er nach der EURO 2012 in Polen und der Ukraine seine Karriere im DFB-Team beenden will.
Sollte sich Löw für den 26 Jahre alten Lahm aussprechen, stellt sich die Frage, wie es mit Ballack weitergeht. Es scheint nur schwer vorstellbar, dass der Führungsspieler ins zweite Glied zurücktreten wird. Ein Karriereende in der DFB-Auswahl wäre wahrscheinlich.
Bleibt der bei der WM verletzte Ballack aber Spielführer, hätte Löw auch sportlich ein gehöriges Problem. Auf welcher Position soll er den Leverkusener künftig einsetzen? In Südafrika verrichtete Sami Khedira neben Bastian Schweinsteiger vor der Abwehr als «Sechser» einen tollen Job.
Der Neuzugang von Real Madrid sagte deshalb «Platzhirsch» Ballack schon einmal den Kampf an. Er werde seinen Posten auch bei der Rückkehr des Neu-Leverkuseners nicht freiwillig räumen, äußerte Khedira offensiv: «Ballack spielt auf meiner Position.» Im zentralen offensiven Bereich im Mittelfeld, wo Ballack auch spielen könnte, hatte bei der WM Mesut Özil für Furore gesorgt. Auch Toni Kroos spielt in Zukunft eine Rolle.
«Michael war für uns immer ein wichtiger Spieler. Jetzt werden wir mal sehen, wie er wieder in Form kommt», sagte Löw dazu in Sport Bild und fügte an: «Das Gute an unserer augenblicklichen Situation ist doch, dass wir Auswahlmöglichkeiten haben, zumal wir immer mit Verletzungen rechnen müssen. Das ist ein spannender Prozess.»
Löw wird um eine Grundsatzentscheidung aber nicht herumkommen, ob er den erfahrenen Ballack (98 Länderspiele) überhaupt noch braucht - nicht nur als Kapitän. Wohl auch deshalb spielt er schon seit Wochen auf Zeit. Nun kündigte der DFB-Chefcoach aber immerhin an, «dass die Frage bis September beantwortet sein wird».
Bis dahin muss er aber noch eine weitere Baustelle schließen. Vor der WM hatte Löw Rene Adler zur Nummer eins ernannt. Der Leverkusener fiel für Südafrika dann aber verletzt aus. Manuel Neuer (Schalke) rückte auf und nutzte seine Chance in Klassemanier. Nun ist Adler wieder fit und meldet genauso wie Ersatzkeeper Tim Wiese, der sich gegen die Dänen bewähren durfte, Ansprüche an.
Nach derzeitigem Stand hat Neuer im Dreikampf um die Nummer eins die Nase vorne. Selbst Adler räumte zuletzt ein, dass sein Konkurrent «jetzt Vorteile hat. Aber natürlich ist es mein Ziel, wieder anzugreifen.» Der Bundestrainer hat sich bisher noch nicht festgelegt, wer in der EM-Qualifikation sein Vertrauen besitzt.
Auch im Angriff hat Löw die Qual der Wahl, nachdem nun auch Patrick Helmes wieder fit ist. Miroslav Klose, Mario Gomez, Cacau, Helmes und Stefan Kießling streiten im inzwischen etablierten 4-2-3-1-System um einen Platz. Auch WM-Torschützenkönig Thomas Müller und Lukas Podolski könnten in der Spitze spielen.
Wenigstens muss Löw nach Platz drei in Südafrika in der EM-Qualifikation, in der die DFB-Auswahl zudem auf Österreich, die Türkei und Kasachstan trifft, keinen Neuaufbau starten. «Die Basis für die Zukunft ist vorhanden. Wir müssen nun keine Umstrukturierungen mehr vornehmen, denn diese Mannschaft wird erst 2014 auf ihrem Höhepunkt stehen», sagte er.
Von seinen 23 WM-Fahrern ist nur Ersatzkeeper Jörg Butt (36) keine Alternative mehr. Ansonsten haben die meisten Spieler eine Perspektive bis zur WM 2014 in Brasilien und noch darüber hinaus. Michael Ballack gehört nicht dazu.