Immer noch fordern zahlreiche Organisationen die Absage des Formel-1-Rennens in Bahrain. Am Freitagmorgen fuhren aber erstmals schon die Autos.

MANAMA. Seit Freitag ist die Rennstrecke in Bahrain endgültig ein Hochsicherheitstrakt. Ordner untersuchen jedes Auto mit Unterbodenspiegeln, die Kofferräume und das Wageninnere werden minutenlang inspiziert. Wenige Meter entfernt verfolgt ein vor einem schwarzen Panzer stehender Soldat die Szene, finster dreinschauend mit einem Maschinengewehr im Anschlag. An den Eingangstoren müssen sich Besucher, Medienvertreter und Offizielle Leibesvisitationen unterziehen, wie sie selbst an US-Flughäfen nicht üblich sind. Alles, was auch nur im Ansatz gefährlich wirkt, wird konfisziert. Selbst Kugelschreiber werden kurzerhand einbehalten.

Obwohl die Opposition angekündigt hat, am Sonntag 50 Aktivisten unters Publikum zu mischen, ist der Innenraum der Rennstrecke in der Wüste wohl aktuell der sicherste Ort in Bahrain. Gefährlicher scheinen dafür die Wege zur Strecke und zurück zu sein. Doch auch dort zeigt sich am Freitag ein völlig anderes Bild. An jeder Kreuzung steht ein Polizeiauto mit Blaulicht, an mehreren Stationen werden Autos schon vor dem Erreichen der Strecke durchsucht. Von der zunächst ausgegebenen Taktik, dass man die Sicherheit spüren, aber nicht sehen solle, ist die Polizei offenbar abgerückt.

Nachdem am Mittwochabend vier Mechaniker des Rennstalls Force India auf dem Weg zurück ins Hotel nur knapp einem Anschlag entgangen waren, berichteten Journalisten auch von Zwischenfällen am Donnerstagabend. Sie hörten Gewehrschüsse, ihr Bus musste wegen brennender Gegenstände auf der Straße kurzzeitig anhalten. Manche Teams hatten nach entsprechenden Informationen im Vorfeld noch reagiert. Mercedes zum Beispiel brachte seine gesamte Crew statt in der rund 30 Kilometer entfernten Hauptstadt Manama kurzfristig in einem von hohen Stacheldrahtzäunen geschützten Quartier ganz in der Nähe der Strecke unter.

Bei Force India haben die Fahrer Nico Hülkenberg und Paul di Resta ebenfalls nur einen etwa zwei Kilometer langen Heimweg, der Großteil des Teams ist aber in der Stadt untergebracht. Nach dem Zwischenfall von Mittwoch, nach dem sich bereits ein Daten-Ingenieur und ein Funkspezialist zur Abreise entschlossen hatten, verzichtete das Team am Freitagmittag auf die Teilnahme am bis 15.30 Uhr Ortszeit dauernden zweiten freien Training. Dadurch sollte gewährleistet werden, dass alle Teammitglieder vor Anbruch der Dunkelheit ihre Unterkunft erreichen.

Der stellvertretende Teamchef Bob Fernley hatte schon zuvor erklärt, er selbst fahre künftig immer «erst dann in mein Hotel, wenn ich überprüft habe, ob alle anderen sicher angekommen sind. Wir werden dafür Sorge tragen, dass alle okay sind. Das hat nichts Einschränkendes oder Schlimmes an sich, sondern ist einfach der sensible Umgang mit der aktuellen Situation.»

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Nur Bahrain-Debatte stört den Glanz der Formel 1

Zudem veranlasste Fernley nach einem Krisengespräch, dass seine Teammitglieder nur noch in größeren Gruppen unterwegs sind, und engagierte Einheimische als Streckenführer. «Wir wollen nicht, dass unsere Jungs in Gegenden geraten, wo sie besser nicht sein sollten», erklärte er: «Wir wollen auch keine bewaffneten Leute an unserer Seite haben. Aber wir werden Ortskundige mit in den Fahrzeugen haben - für den Fall, dass sich jemand verfährt.» Zwischenzeitlich erwog Force India sogar, auf die zweite Trainingseinheit am Mittag zu verzichten oder sie zumindest früher abzubrechen, um noch im Hellen zurück ins Quartier fahren zu können. Eine geschlossene Abreise hatte Fernley aber frühzeitig ausgeschlossen.

Die Zahl derer, die eine Absage fordern, wuchs derweil weiter an. So forderte nun der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte, Tom Koenigs von den Grünen, im Sender NDR Info, man könne nicht einfach übergehen, dass es in dem Land ein antiquiertes Regime gebe, das die Bevölkerung grausam unterdrücke. Eine Zusammenarbeit mit Diktatoren dürfe es nicht geben, auch nicht im Sport, erklärte er.

Rosberg mit Tagesbestzeit im Training

Mercedes-Pilot Nico Rosberg ist fünf Tage nach seinem ersten Formel-1-Sieg auch im Training von Bahrain die Tagesbestzeit gefahren. Der China-Sieger war am Freitag in Sakhir in 1:32,816 Minuten deutlich schneller als das Red-Bull-Duo Mark Webber und Sebastian Vettel. Vierter wurde WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton im McLaren vor Michael Schumacher im zweiten Silberpfeil. Marussia-Fahrer Timo Glock belegte den 19. Platz.

Das Force-India-Team von Nico Hülkenberg hatte auf die zweite Übungseinheit am Nachmittag verzichtet. Das Team wollte aus Angst vor neuerlichen politischen Protesten vor Anbruch der Dunkelheit zurück im Hotel sein.

(sid/abendblatt.de)