Im Interview mit dem Hamburger Abendblatt spricht Profi-Boxer Sebastian Zbik über das deutsche Boxduell am 13. April gegen Felix Sturm.
Hamburg. Am 13.April kommt es in der Kölner Lanxess-Arena zu einem deutschen Boxduell mit enormer Brisanz. Felix Sturm, 33, verteidigt seinen WBA-WM-Titel im Mittelgewicht gegen Sebastian Zbik, 29. Für Sturm ist es seit seiner Trennung vom Hamburger Profistall Universum im Sommer 2010 der erste Kampf gegen einen früheren Stallkollegen. Für Zbik ist es das erste Aufeinandertreffen mit seinem Ex-Coach Fritz Sdunek, der jetzt Sturm trainiert. Im Abendblatt spricht der Mecklenburger über die Emotionen, die mit diesem Kampf verbunden sind.
Hamburger Abendblatt: Herr Zbik, sind Sie abergläubisch?
Sebastian Zbik: Nein, und ich weiß schon, worauf Sie hinauswollen. Dass der Kampf am Freitag, den 13. stattfindet, lässt mich kalt. Ich hatte an dem Datum noch nie Pech, und das wird auch so bleiben.
Was macht Sie so sicher, dass Sie den Kampf gewinnen werden?
Zbik: Anders als viele Experten glaube ich nicht, dass ich Felix boxerisch unterlegen bin. Ich glaube, dass er über seinen Zenit hinaus ist. Zuletzt stand er sehr viel in Doppeldeckung, bewegte sich nicht mehr so gut. Ich schlage mehr als er. Weniger Erfahrung habe ich auch nicht, auch wenn manche das so sehen. Ich boxe seit 20 Jahren, die meisten meiner Kämpfe waren, ebenso wie seine, live im Fernsehen, ich habe viel Selbstsicherheit gewonnen in den vergangenen Jahren. Der Unterschied, der mir den Sieg bringen wird, ist, dass ich mehr Herz und Willen habe. Ich spüre überhaupt keine Nervosität, nur Zuversicht und Vorfreude. Deshalb bin ich siegessicher.
Sturm ist Superchampion, Sie kommen als Herausforderer. Können Sie nur durch Knock-out gewinnen?
Zbik: Das denke ich nicht. Schon in seinem letzten Kampf gegen den Briten Martin Murray hat sich gezeigt, dass Felix die Punktrichter nicht hinter sich hat. Er hatte in meinen Augen knapp gewonnen, das Urteil war Unentschieden. Das war ein Warnschuss. Ich rechne deshalb damit, dass fair gepunktet wird.
Ihr Duell ist aus mehreren Gründen brisant. Zunächst einmal, weil Sturm und Sie keine Freunde sind. Er hat Ihnen in einem Interview im „Boxsport“ vorgeworfen, nichts geleistet zu haben. Dabei waren Sie WBC-Weltmeister.
Zbik: Ich war sehr überrascht darüber und finde seine Aussagen niveaulos. Ich habe meinen Titel, auf den ich als Interims-Weltmeister wegen der Politik der Weltverbände sehr lang warten musste, genauso umstritten im Ausland verloren wie Felix damals. Meine Punktniederlage gegen Julio Cesar Chavez jr. war ebenso ungerecht wie seine gegen Oscar de la Hoya. Deshalb hätte ich erwartet, dass Felix dafür Verständnis aufbringt und respektiert, dass ich im Ausland angetreten bin. Aber Respekt scheint ihm leider ein Fremdwort zu sein.
Wie meinen Sie das?
Zbik: Ich verstehe nicht, wieso er sich nach seinen letzten Kämpfen, die allesamt nicht gut waren, hinstellt und erzählt, er sei der Beste der Welt. Da wäre doch ein wenig Selbstkritik und Realismus angebracht gewesen. Man kann nicht immer die Besten boxen, eine leichte Titelverteidigung gehört auch mal dazu. Aber man muss ehrlich sein und zugeben, wenn Kämpfe nicht gut waren, und diese Fähigkeit scheint Felix nicht zu haben. Ich wundere mich oft darüber, wo er seine Arroganz hernimmt. Ich finde grundsätzlich, dass sein Verhalten eines Superchampions nicht würdig ist. In einer Liga mit Superstars wie Manny Pacquiao oder den Klitschkos spielt Felix noch lange nicht.
Er hat Ihnen wegen Ihrer Kritik an seinen Kämpfen vorgeworfen, eine große Schnauze zu haben. Sie müssten ihm dankbar sein, dass er Ihnen eine Plattform bietet, dass Ihnen mehr Leute zusehen als nur Ihr Dorf.
Zbik: Felix hat vielleicht vergessen, dass ich als Hauptkämpfer im ZDF auch Millionenquoten gemacht habe. Natürlich ist der Kampf für mich eine Riesenchance, in Deutschland noch bekannter zu werden. Mit einem Sieg könnte ich richtig durchstarten. Deshalb ist der Kampf mein Traumkampf, und ich bin dankbar für die Chance. Aber ich muss mich nicht bei Felix bedanken, denn ich habe mir die Chance selbst erarbeitet. Er hatte angekündigt, nach der Trennung von Universum nur gegen Weltklassegegner antreten zu wollen. Ich bin der erste Gegner dieses Kalibers. Deshalb muss auch Felix dankbar sein, dass ich das Duell angenommen habe. Sein TV-Partner Sat.1 hat zuletzt ja einen großen Kampf gefordert, jetzt gibt es ihn. Nebenbei: Mein Dorf war mit in den USA, es wird auch in Köln dabei sein. Dafür bin ich dankbar!
Wenn Sie siegen, müssten Sie wahrscheinlich sofort gegen Gennadi Golovkin ran, der als Pflichtherausforderer darauf wartet, gegen Sturm anzutreten. Glauben Sie, dass Sturm Sie auch deshalb ausgewählt hat, weil er Sie als leichtere Beute ansieht?
Zbik: Bestimmt, aber diese Rechnung wird nicht aufgehen. Wenn ich gewinne, machen wir den Kampf mit Golovkin. Ich bin nicht wie Felix und laufe vor Herausforderungen davon. Golovkin ist ein Super-Boxer, aber auch er hat bei den Profis noch nicht so viel gerissen und ist sicherlich besiegbar. Ich habe auch keine Angst vorm Verlieren, ich habe ja gemerkt, dass mir die Niederlage gegen Chavez jr. mehr gebracht hat als mancher Sieg. Gegen Felix habe ich außerdem nichts zu verlieren. Ich bin nicht derjenige, der eine eigene Firma am Leben erhalten muss. Der Druck liegt allein bei ihm, und das spürt man. Er wirkt auf mich sehr angespannt.
Wenn man die Abneigung spürt, die Sie beide füreinander empfinden, muss man sich da Sorgen machen, dass es auf der Pressekonferenz zu einem Eklat kommt wie zwischen den Briten David Haye und Dereck Chisora?
Zbik: Ich glaube, dass wir von so einer Prügelei beide weit entfernt sind. Verbale Provokationen sind okay, aber wir werden alles sportlich im Ring klären. Ich erwarte einen technisch und athletisch hochklassigen Kampf, aber ansonsten ein faires Miteinander.
Es heißt ja immer, im Boxen sei Hass ein schlechter Ratgeber. Aber mal ehrlich: Wie schaltet man die Emotionen bei solchen Begleitumständen aus?
Zbik: Ich gelte ja als sehr kopfgesteuerter Boxer, der viel nachdenkt im Ring. Aber vielleicht will ich ja diesmal die Emotionen gar nicht ausschalten. Vielleicht ist es ganz gut, wenn ich die Wut in die Schläge lege. Ich habe keine Lust auf einen Eierkampf. Hass verspüre ich im Übrigen nicht.
In Sturms Ecke sitzt Ihr früherer Trainer Fritz Sdunek. Er weiß alles über Sie. Ist das für Sie belastend?
Zbik: Natürlich ist es eine komische Situation. Wir haben ein gutes Verhältnis, obwohl es eine große Enttäuschung war, dass Fritz nach seinem Abschied von Universum meinen größten Konkurrenten übernommen hat, obwohl er uns erzählt hatte, dass er kürzer treten will. Ich kann aber nachvollziehen, dass er nicht zu Hause sitzen und sich langweilen wollte, und freue mich, dass er fit genug ist, weiter zu arbeiten. Seine Aussage, dass ich den Kampf auf jeden Fall verlieren werde, fand ich unnötig, aber auch das kann ich verstehen. Was soll er sonst sagen? Allerdings glaube ich, dass er nicht traurig wäre, wenn ich gewinne.
Für Ihren Trainer Artur Grigorian ist der Kampf ebenfalls unglaublich wichtig, immerhin ist Sdunek sein Ziehvater, von ihm hat er alles gelernt.
Zbik: Ja, Artur hat Fritz viel zu verdanken. Aber dieser Kampf ist die perfekte Gelegenheit zu zeigen, dass er jetzt ein eigenständiger Trainer ist. Ich spüre, dass ihm das sehr viel bedeutet. Auch für Michael Timm, der mich ebenfalls trainiert und der in der Ecke dabei ist, steht viel auf dem Spiel. Immerhin war er lange Jahre Felix' Trainer, er war unheimlich enttäuscht von der Trennung und davon, dass Fritz Felix übernommen hat. Es sind schon einige verschiedene Emotionen drin in diesem Duell.
Auch für Universum wäre ein Sieg immens wichtig, er könnte der Durchbruch sein, um einen neuen TV-Vertrag zu bekommen. Setzt diese Verantwortung Sie zusätzlich unter Druck?
Zbik: Natürlich ist mir bewusst, dass ein Sieg viel Positives bewirken würde. Aber im Kampf muss ich das ausblenden. Da denke ich nur an mich. Letztlich ist es doch auch egal, aus welchen Gründen ich gewinne. Wichtig ist nur, dass ich es tue, dann haben alle etwas davon.
Ihr Verhältnis zu Universum war in den Monaten nach dem Chavez-Kampf sehr getrübt, Sie fühlten sich verraten, bekamen keine Kämpfe angeboten und spielten mit dem Gedanken, mit dem Boxen aufzuhören und zu studieren. Steigen Sie jetzt nur wegen des Geldes in den Ring?
Zbik: Bestimmt nicht, das Feuer in mir brennt wieder, weil dieser Kampf immer mein Traumkampf war. Finanziell war das Angebot diesmal etwas besser als vor ein paar Monaten, als wir schon einmal verhandelt hatten. Aber Geld spielt nicht die Hauptrolle. Ich hatte nie abgeschlossen mit dem Boxen, die Situation bei Universum war nur dermaßen unsicher, dass ich mir es nicht mehr antun wollte, für Kämpfe zu trainieren, die dann doch nicht stattfanden. Dieses Hin und Her hat an meinen Nerven gezehrt, deshalb habe ich meine Wohnung in Hamburg gekündigt, bin in mein Heimatdorf Altentreptow gezogen und habe gesagt, dass ich nur boxe, wenn ein ordentliches Angebot kommt. Der Kontakt zu Universum ist in dieser Zeit aber nie ganz abgerissen. Die Auszeit hat mir körperlich und mental sehr gut getan. Im Trainingslager in Zakopane habe ich gespürt, dass ich bereit bin. Es hat nur wenige Tage gedauert, bis der Körper die Belastungen wieder gewohnt war.
Bei Universum hat sich einiges getan, es gibt mit Waldemar Kluch einen neuen Chef, mit Peter Hanraths ist der frühere Geschäftsführer zurückgekehrt. Ist der Stall auf dem Weg zu alter Stärke?
Zbik: Dazu fehlt sicherlich noch einiges, vor allem ein Fernsehvertrag. Aber die Stimmung ist deutlich besser geworden. Herr Kluch gibt sich viel Mühe, mit Herrn Hanraths ist mehr Seriosität spürbar. Dass nach wie vor Substanz da ist, zeigt doch der April, wo innerhalb von acht Tagen drei Universum-Boxer um die WM kämpfen. Dennoch braucht so ein Neuanfang Zeit, man darf nicht erwarten, dass von einem Tag auf den anderen alles besser ist.
Wenn Sie siegen, wäre das ein wichtiger Schritt. Wenn Sie verlieren, war es das dann mit Ihrer Karriere?
Zbik: Theoretisch ist mein Vertrag ausgelaufen, Universum kann eine Option ziehen. Wir werden uns nach dem Kampf unterhalten, was Sinn macht. Ob Universum mir im Fall einer Niederlage noch eine Chance gibt oder es sich überhaupt leisten kann, mir teure Aufbaukämpfe zu verschaffen, kann ich nicht sagen. Ebenso wenig weiß ich, ob meine Motivation noch ausreichend wäre, wenn ich gegen Felix verliere. Aber wir werden am 13.April über solche Fragen nicht mehr nachdenken müssen.