Hockey-Nationalspieler Moritz Fürste und Rehatrainer Norbert Sibum im Sportgespräch über die schnelle Heilung von Fürstes Kreuzbandriss.
Hamburg. Moritz Fürste, 27, hat gute Laune, und das hat einen ebenso guten Grund. Am kommenden Sonntag feiert der Hockey-Nationalspieler beim Lehrgang in Mannheim sein Comeback - nur fünf Monate, nachdem er sich das vordere Kreuzband im rechten Knie angerissen hatte. Mit seinem Rehatrainer Norbert Sibum, 36, vom Olympiastützpunkt (OSP) schildert er im Abendblatt, wie die schnelle Genesung möglich war.
Hamburger Abendblatt: Herr Sibum, als Moritz Fürste Anfang Oktober zu Ihnen kam, hätten Sie damals damit gerechnet, dass er vier Monate später sein Comeback im Nationalteam geben würde?
Norbert Sibum : Ich hatte es für möglich gehalten, aber wir haben uns aus gutem Grund nicht unter Druck gesetzt. Angepeilt war, dass er Anfang März zum Lehrgang nach Südafrika mitfliegen sollte. Dass es jetzt vier Wochen früher schon klappt, ist schön für ihn.
Herr Fürste, wie ging es Ihnen? Immerhin stehen im Sommer die Olympischen Spiele an. Hatten Sie nach der Verletzung Angst, diese zu verpassen?
Moritz Fürste: Nein, ich habe nie daran gezweifelt, dass ich bis London wieder fit sein würde. Aber natürlich war die Ungewissheit groß, wie lange es dauern würde. Ich kam gut vier Wochen nach der Verletzung zu Norbert. Er hat mir dann ein Programm ausgearbeitet, und von dem Punkt an habe ich ihm vertraut. Er sagte, dass ich, wenn er mich entlassen würde, wieder voll belastbar wäre. Darauf habe ich mich verlassen.
Sibum: Dieses Vertrauen war ein ganz wichtiges Element des Heilungsprozesses. Moritz und ich kannten uns vorher nicht, deshalb ist es für einen Athleten nicht leicht, sich mit so einer schweren Verletzung in die Hände eines Fremden zu begeben. Doch er hat es getan.
Fürste: Ich habe einfach gespürt, dass das, was Norbert gemacht hat, mir guttat. Deshalb gab es nie Zweifel, dass es das Richtige ist.
Sibum: Kreuzbandrisse sind heutzutage kein Drama mehr. Wenn man die Reha ordentlich plant, bekommt man sie gut in den Griff. Bei einem Anriss, wie Moritz ihn hatte, ist jedoch nie sicher, zu wie viel Prozent das Band gerissen ist. Das erkennt man auf den Bildern der Kernspintomografie nicht, und wenn man eine Arthroskopie durchführen würde, um es herauszufinden, könnte man gleich operieren. Das jedoch wollten die behandelnden Ärzte, Carsten Lütten und Jörg Huhnholz, nicht.
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Warum nicht?
Sibum: Wir hatten uns in Absprache mit Moritz, den Ärzten und Bundestrainer Markus Weise entschieden, dass wir die Stabilität des Knies durch speziellen Muskelaufbau wiederherstellen wollten. Das Kreuzband ist per se kein besonders stabiles Band, deshalb reißt es auch so oft. Es wird zu 75 Prozent von der Muskulatur gehalten. Das bedeutet: Wenn die 25 Prozent Stabilität, die das Kreuzband bringt, durch einen Anriss nicht mehr gewährleistet sind, dann muss man die Muskulatur so stärken, dass sie die Aufgaben des Bandes mit übernimmt. Dafür ist der hintere Oberschenkelmuskel zuständig, und genau den haben wir auf rund 140 Prozent Leistung hochtrainiert.
Erklären Sie bitte, wie die Rehabilitation aufgebaut war.
Sibum: Grundsätzlich ist die Reha in vier Phasen von je rund sechs Wochen gegliedert. Die erste Phase ist die Wundheilung, da wird lediglich physiotherapeutisch gearbeitet. Von der zweiten Phase an kam ich ins Spiel, das ist das rehabilitative Vortraining. Für die Athleten ist das die Frustphase, weil sie in der Zeit merken, was alles noch nicht geht. In der dritten Phase geht es in die intensive Reha, das ist hauptsächlich Kraft- und Athletikaufbau. Da hat Moritz viel mit dem Konditionstrainer Rainer Sonnenburg gearbeitet. Und in der vierten Phase geht es um die Entwicklung der sportartspezifischen Fähigkeiten. Für Moritz bedeutete das, dass er von Weihnachten bis jetzt wieder rotatorische Bewegungen machen konnte. Er absolviert derzeit acht bis neun Einheiten pro Woche mit Athletik, Kraft und hockeyspezifischen Übungen.
Wie war Moritz als Patient?
Sibum: Er war sehr angenehm, weil bei ihm das Gesamtpaket rundherum stimmt. Anfangs hat er viel hinterfragt, aber sehr schnell hat er wunderbar mitgearbeitet. Er hat alle Etappenziele eingehalten. Bei ihm kam natürlich auch dazu, dass er eine körperliche Grundfitness hatte, die einen schnellen Aufbau unterstützt hat.
Woran liegt es, dass einige Sportler nur fünf Monate brauchen, um von einem Kreuzbandriss zu genesen, andere wiederum bis zu einem Jahr?
Sibum: Das liegt an ebenjenem Gesamtpaket. Wenn jemand körperlich schwächer ist, wenn er nicht ordentlich mitarbeitet, die Selbstheilungskräfte nicht gut sind oder er vom Kopf her nicht bereit ist, dauert es länger. Wenn jemand so gut aufgestellt ist wie Moritz, geht es eben auch in fünf Monaten.
Ist das Band denn jetzt wieder voll belastbar?
Sibum: Das kann man bei einem Anriss ohne Arthroskopie nicht sagen. Was ich sagen kann: Das Knie ist wieder voll belastbar. Moritz wird zwar erst in Südafrika wieder voll ins Hockey einsteigen und dann merken, ob er auch vom Kopf her bereit ist, die Zweikämpfe wie früher zu bestreiten. Aber aus medizinischer Sicht gibt es keine Bedenken.
Herr Fürste, gab es Phasen, in denen Sie frustriert waren? Oder in denen Sie sich im Gedanken an Olympia zu stark unter Druck gesetzt haben?
Fürste: Nein, komischerweise hatte ich niemals das Gefühl, frustriert zu sein, und auch wegen Olympia habe ich mich nie stressen lassen, weil ich nie Zweifel hatte, dass ich es schaffe. Ich habe auch während der gesamten Zeit keine Schmerzen im Knie gehabt. Mir tat mal der Rücken weh oder der Nacken, weil ich mich im Krafttraining falsch belastet hatte. Aber das Knie hat nie Probleme gemacht. Wenn das passiert wäre und Norbert und Rainer gesagt hätten, dass ich erst im April zurückkehren kann, hätte ich das ohne Murren getan. Dennoch hat mich der Gedanke an Olympia natürlich zusätzlich motiviert. Ich weiß nicht, ob ich so hart gearbeitet hätte, wenn es diesen Zusatzanreiz nicht gegeben hätte. Ich habe Trainingsfleiß entwickelt, den ich von mir gar nicht kannte.
Können Sie der Verletzung im Nachhinein gar Positives abgewinnen?
Fürste: Ich würde noch weiter gehen: Es war vielleicht eine der glücklichsten Fügungen meines Lebens! Ich bin durch das intensive Training jetzt auf einem athletischen Level, den ich noch nie zuvor hatte. Vor allem hatte ich eine komplette Erholung für den Kopf. Wie wichtig diese mentale Hockeypause war, zeigt der Fakt, dass ich erst am vergangenen Wochenende bei der Hallen-Endrunde in Berlin erstmals das Gefühl hatte, nicht mehr zuschauen zu wollen. Umso schöner war es zu spüren, wie heiß ich noch auf den Sport bin.
Lernen Sie aus dieser Verletzung, sich in Zukunft früher Pausen zu gönnen, bevor der Körper Sie dazu zwingt?
Fürste: Das habe ich mir fest vorgenommen. Ich werde im Winter öfter mal pausieren und mich dafür um das Athletiktraining kümmern. Da ist noch viel Potenzial, das weiß ich jetzt.
Sibum: Es ist mein Job, die Sportler für diese Dinge zu sensibilisieren. Wenn sie verstehen, dass ein Schritt zurück manchmal zwei Schritte nach vorn bewirken kann, hätten sie viel gewonnen. Ich weiß, dass für viele durch den engen Plan mit Liga- und Nationalmannschaftsspielen die Zeit nicht da ist, um Pausen zu machen. Aber irgendwann holt sich der Körper, was er braucht, und dann fällt der Sportler meist länger aus, als wenn er präventiv pausiert. Wenn Moritz das gelernt hat, ist das für mich der schönste Erfolg.