Es war früher Sonntagmorgen, sein Kampf seit Stunden Geschichte, und doch wirkte Koren Gevor noch immer, als hielte er sich bereit, jeden, der sich ihm in den Weg zu stellen versuchte, mit Fausthieben unschädlich zu machen.
Nürburgring. Mit einem Gesichtsausdruck, der an einen Pitbull kurz vor dem Zubeißen erinnerte, saß der 30 Jahre alte Mittelgewichts-Boxprofi im Obergeschoss der neu eröffneten Event-Arena am Nürburgring und schaffte es nur mäßig, seine Emotionen im Zaum zu halten.
"Ich habe den Kampf gewonnen, ich habe ihn fertiggemacht. Leider haben die Offiziellen das nicht so gesehen, und das ist schade für den Sport", ätzte der gebürtige Armenier. Ihn, das war Felix Sturm, WBA-Weltmeister und Universum-Stallkollege von Gevor, der in jenem Moment keine Chance hatte zu antworten, da er wegen eines Hämatoms in der rechten Ohrmuschel in einem Krankenhaus behandelt werden musste. Die Offiziellen, das waren die Punktrichter Raul Caiz sr. (USA), Ruben Garcia (USA) und Daniel Talon (Frankreich), und die drei Herren hatten das Duell nach zwölf hochklassigen Runden, die beste Werbung für das deutsche Mittelgewicht darstellten, allesamt für Sturm gewertet.
Tatsächlich hatte der 30 Jahre alte Leverkusener den Kampf verdient gewonnen, da es ihm gelang, Gevor mit dessen eigenen Waffen zu schlagen. Viele hatten erwartet, der Sohn bosnischer Einwanderer werde seinen armenischen Widersacher aus der Distanz zu schlagen versuchen. Stattdessen wählte Trainer Michael Timm die Taktik, seinen Schützling in Doppeldeckung nah am Mann bleiben und in den richtigen Momenten explodieren zu lassen. "Wir wollten Koren mit dessen Waffen schlagen, das ist aufgegangen. Die besseren Treffer haben den Ausschlag gegeben", sagte Timm.
Dass Gevor sich im Ring, als er Universum-Geschäftsführer Stefan Braune dessen ausgestreckte Hand wegschlug, und auch noch Stunden danach als schlechter Verlierer zeigte, kann man verstehen, wenn man die Vorgeschichte des Kampfes kennt. Der Europameister, der seinen Titel zugunsten seiner zweiten WM-Chance niederlegen musste, hatte Universum vorgeworfen, ihn loswerden zu wollen. Nach dem Kampf ereiferte sich der Familienvater, dem wie üblich Ehefrau Ninel, die Adoptivsöhne Norair (18) und Abel (16) sowie die erst knapp zwei Jahre alte Tochter Lilia am Ring die Daumen drückten, vor allem darüber, dass kurz vor dem Kampf noch der Ringrichter gewechselt worden war. Die WBA hatte Luis Pabon (Puerto Rico), der Passprobleme hatte, durch den Franzosen Jean Louis Legland ersetzt. Einfluss auf den Kampf hatte das keinen, Legland drückte bei vielen kleinen Kopfstoß-Vergehen Gevors sogar eher noch ein Auge zu, was Sturm zu dem Kommentar verleitete, dass man "mehr machen muss, als mit dem Kopf zu stoßen, um Weltmeister zu werden."
Die Enttäuschung Gevors konnte er jedoch ebenso nachvollziehen wie Universum-Vize Dietmar Poszwa, der den an Grippe erkrankten Chef Klaus-Peter Kohl vertrat. Poszwa stellte klar, dass "wir Koren nie loswerden wollten". Wie es mit ihm und Sturm, der erst 2010 wieder boxen soll, weitergehe, wolle man "im internen Gespräch" klären. Gevors Trainer Fritz Sdunek wurde deutlicher. Sein Schützling habe den Kampf "mit ein, zwei Runden" verloren und sei "schlecht beraten", sich als Betrogenen darzustellen. "Das hat er doch gar nicht nötig, denn mit dieser Leistung kann er im Mittelgewicht noch eine großartige Rolle spielen", sagte Sdunek - und hatte damit recht.