Von Vorfreude oder gar Euphorie wegen des morgen beginnenden Grand-Slam-Turniers ist hier in Wimbledon noch nicht viel zu spüren. Es sind kaum Zuschauer auf der Anlage, und so kommt die Atmosphäre, die man sich unter Wimbledon vorstellt, noch überhaupt nicht auf. Aber ich bin mir sicher, dass das schon morgen ganz anders aussehen wird.

Nachdem Titelverteidiger Rafael Nadal wegen seiner Knieverletzung abgesagt hat, machen sich natürlich eine ganze Reihe von Spielern Hoffnungen darauf, hier mal den Sieg feiern zu können. Meine Favoriten sind ganz klar der Schweizer Roger Federer, der hier seinen 15. Grand-Slam-Triumph perfekt machen kann, und der Schotte Andy Murray. Beide spielen derzeit auf höchstem Niveau, und sie dürften besser mit dem Rasen zurecht kommen als große Spieler wie der Schwede Robin Söderling oder Juan del Potro aus Argentinien, die in Paris bei den French Open weit gekommen sind. Auch mit dem Serben Novak Djokovic muss man immer rechnen.

Aus deutscher Sicht traue ich Tommy Haas zu, eine Überraschung zu schaffen und sehr weit zu kommen. Er spielt mit sehr viel Selbstvertrauen, scheint kaum noch Druck zu spüren. Mit seinem schnellen, aggressiven Spiel kann er auf Rasen eine Menge erreichen. Toll ist für uns Deutsche auch, dass mit Benjamin Becker der frisch gebackene Tur-niersieger aus s’Hertogenbosch in London aufschlägt. Allerdings hebt deshalb niemand von uns ab, denn alle wissen, dass man gerade nach Wochen mit großem Erfolg beim nächsten Turnier oft gnadenlos untergeht. Hoffen wir es nicht für Benni.

Ich habe am Wochenende fleißig trainiert, heute mit Söderling, den ich morgen auch für sein Erstrunden-Einzel einspielen werde. Söderling gilt ja manchen als Sonderling, ich verstehe mich aber gut mit ihm. Wir trainieren ab und an mal zusammen. Für mich ist wichtig zu sehen, dass ich meine Adduktorenzerrung fast ausgeheilt habe. Ich kann wieder maximale Belastung gehen, von Tag zu Tag wird es besser.

Morgen habe ich noch einen Tag zur aktiven Erholung, ehe ich am Dienstag starte. Mein Gegner, der Russe Dimitri Tursunow, hat gerade das Turnier in Eastbourne gewonnen, das heißt, er ist in Topform. Das ist ein schwerer Brocken, gleich gegen die Nummer 26 der Welt anzutreten, aber das hier ist Wimbledon und kein Wunschkonzert, also muss ich alles geben, um ihn zu packen. Morgen kann ich aber noch ein paar Matches anschauen, wenn das Wetter mitspielt. Denn Zuschauen darf ich nur auf den Nebenplätzen. Auf den seit diesem Jahr überdachten Center Court darf nur, wer dort selbst spielt – oder wer sich die teuren Eintrittskarten kauft. Auch so eine Goldene Regel beim traditionsreichsten Turnier der Welt.

Ich wünsche Euch jetzt einen guten Start in die neue Woche und freue mich auf mein Lieblingsturnier im Ausland. Euer Mischa!

Der Hamburger Profi Mischa Zverev (21), derzeit an Position 45 der Weltrangliste geführt, berichtet exklusiv für abendblatt.de von seinen Erlebnissen im Tennisjahr 2009